Vertrauen
Vertrauen ist das Gefühl und die subjektive Überzeugung, dass der Andere „redlich“ ist, dass das, was er sagt, ehrlich ist und das, was er tut, ehrlich gemeint ist. Wer vertraut, glaubt, dass die Aussagen oder Handlungen des anderen wahr und aufrichtig sind. Das hat viel damit zu tun, dass man selbst oder der Andere authentisch oder kongruent ist. Das spürt man.
Ohne Vertrauen ist keine Beziehung möglich, weder zu sich selbst oder zu einem Anderen noch zu etwas Höherem.
Vertrauen wird geschenkt. Es kann weder eingefordert noch befohlen werden. Und das macht es kostbar.
Es ist essentiell, wahrzunehmen, zu spüren, zu erkennen, wem man vertrauen kann und wem besser nicht. Diese Auswahl schützt!
Wer aber Vertrauen zu einem Anderen aufgebaut hat, tat das aus einem guten Grund. Wenn Vertrauen zerstört oder enttäuscht wird, ist der Andere es wert, mit ihm zu sprechen, denn es gab einmal einen Grund, dem Anderen zu vertrauen.
Vertrauen ist etwas höchst Zerbrechliches. Ist es erst einmal erschüttert, ist es kaum wieder herzustellen. Wenn mein Vertrauen boshaft enttäuscht, missbraucht oder zerstört wurde, spüre ich verletzt, dass ich mich in einem Anderen ge-täuscht habe. Das lässt mich über einen längeren Zeitraum misstrauisch gegenüber allen Menschen sein. Dann glaube ich in meiner Verletztheit, dass ich niemandem vertrauen kann außer mir selbst. Das ist so, weil eine Verletzung angeschaut werden muss und Zeit zum Heilen braucht. Wir alle aber würden ganz sicher früher oder später verrückt werden, wenn wir allem Neuen oder jedem fremden Menschen mit Angst, Abwehr und Misstrauen begegnen würden. Es liegt in unserer Natur, dass wir vertrauen. Es reduziert die komplexe Welt.
Wenn wir ent-täuscht wurden, ist natürlich auch unsere Täuschung aufgehoben, die wir in Bezug auf den Anderen und seine Vertrauenswürdigkeit hatten. Das kann sehr desillusionierend, aber auch heilsam sein. Wir müssen darauf achten, wem wir vertrauen – das ist ein Prozess und dabei kommt es immer auch zu Verletzungen oder Ent-Täuschungen. Es wäre jedoch unfair, das zu verallgemeinern, denn es gibt immer Menschen um uns herum, die es würdig sein, dass man ihnen vertraut und die dieses vertrauen nicht missbrauchen würden.
Bedeutsam für das Vertrauen ist es, wie früh es verletzt oder erschüttert wurde. Wird in den ersten drei Lebensjahren, in denen sich das Urvertrauen aufbaut und entwickelt, ein grundlegendes Vertrauen in die Welt verletzt, was ursächlich durch die Eltern geschieht – etwa durch ein frühes „Alleingelassenwerden“ als Baby oder durch körperliche und seelische Misshandlung – dann ist das Urvertrauen erschüttert und kann kaum mehr aufgebaut werden. Es wird durch das gesamte Leben hindurch dann ein Mangel an Vertrauen in dieses Leben, in andere Menschen und in Beziehungen geben. Man kann es durch gute „Vertrauenserfahrungen“ ein wenig heilen. Reparieren lässt es sich kaum.
Auch das Vertrauen zu sich selbst, das Selbstvertrauen ist grundlegend dafür, ob ein Anderer mir vertraut. Wenn ich mir selbst nicht vertraue, dann wird es auch kein Anderer tun, weil er die Unsicherheit spürt. Unsicheren Menschen vertraut man weniger, weil man nicht weiß, wie sie reagieren und wie sie mit persönlichen Inhalten umgehen, die man ihnen anvertraut. Wir vertrauen meist den Menschen, die Sicherheit, Ruhe und ein gesundes Selbstvertrauen ausstrahlen.
Wer ständig Vertrauen einfordert oder darüber spricht, dem fehlt es vielleicht, zu sich selbst und zu Anderen, sonst müsste man es nicht ständig einfordern oder darüber sprechen.
Es gibt einige Grundregeln, wie man Vertrauen schaffen und aufbauen kann:
- Offen kommunizieren… Offenes Reden ist ganz sicher eines der wichtigsten Vertrauens-Spender. Es ist auch erforderlich, darüber zu sprechen und sich auszutauschen, was der Eine unter einer Sache versteht, was sich meist von dem unterscheidet, was der Andere darunter versteht. Offen kommunizieren heißt auch, auszudrücken, wann und wenn man verletzt ist und auch aus welchen Gründen. Damit der Andere es nachvollziehen kann und eine Aussprache möglich ist. Manchmal verletzt man einen Anderen, ohne es zu bemerken, weil man einen wunden Punkt getroffen hat, den man bei dem Anderen noch nicht kannte. „Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse!“, so steht es schon im Buch „Der kleine Prinz“. Darum müssen wir uns bemühen, einander zu verstehen, wirklich zu verstehen – und nicht nur verletzt sein und in dieser Verletzung den Anderen unbeantwortet stehen lassen.
- Offen sein, sich zeigen, etwas von sich erzählen, das schafft Vertrauen.
- Authentisch sein; sagen, was man meint, glaubt und fühlt – und dann auch tun, was man sagt.
- Ehrlich sein. Lügen zerstören Vertrauen. Und bevor man lügt, sagt man lieber: „Da darf/möchte ich (noch) nicht drüber sprechen, es hat aber nichts mit dir persönlich zu tun.“
- Offen mit Fehlern umgehen – mit den eigenen und denen des Anderen. Weil Fehler menschlich sind und oft unbewusst oder unbemerkt geschehen.
- Sich Zeit lassen. Vertrauen ist wie eine Blume, die Zeit zum Wachsen braucht.
- Sich nicht an Gerüchten beteiligen, nicht lästern. Wer schlecht über andere spricht, ist selten vertrauenswürdig!
- Sich entschuldigen können! Das zeigt, dass man zu seinen Fehlern steht und den Schmerz des Anderen wahrnimmt.
- Verzeihen können! Wer nachtragend ist, hat meist Probleme damit, zu vertrauen. Das kommt natürlich auf die Beziehung an, um die es geht.
Wenn ich etwas, das ein Anderer mir im Vertrauen erzählt hat, für mich bewahren kann und dadurch niemand zu Schaden kommt, dann erweise ich mich des Vertrauens als würdig, das der Andere in mich gesetzt hat. Oder wir müssen in diesem Moment ehrlich sein und sagen, wenn wir das nicht für uns behalten können, weil es anderen schadet. Dann gilt es, darüber zu sprechen, wie der Andere dies selbst ermöglichen kann, dass es offen ausgesprochen wird oder werden muss – an die Stelle, an die es gehört.
Wir sollten stets achtsam darauf schauen, ob wir vertrauenswürdig sind und uns hin entwickeln dazu, uns selbst zu vertrauen und immer mehr der Mensch zu werden, dem Andere vertrauen können.
Man kann Vertrauen auch erschüttern oder verspielen:
- Wenn man sich nicht an Abmachungen oder Versprechen hält.
- Wenn man sich zuerst um den eigenen Vorteil kümmert – und das meistens.
- Wenn man Kompromisse vermeidet und nur den eigenen Profit vergrößert.
- Wenn man kontrollierend ist. Wer kontrolliert, vertraut nicht. Wer kontrolliert wird, spürt, dass man ihm nicht vertraut.
- Wenn sich Worte und Taten offensichtlich widersprechen.
- Wenn man etwas verschweigt. Man spürt ob der Andere etwas verschweigt. Spürt man dies oft oder auf Dauer, dann schwindet das Vertrauen zusehends. Man hat zudem das Gefühl, dass der, der einem etwas verschweigt, einem nicht vertraut. Und so ist das Vertrauen auf beiden Seiten höchst fragil.
- Wenn man lügt. Wenn die Lüge entdeckt wird, ist es schwer, Vertrauen wieder aufzubauen. Wer öfter lügt, scheint weder sich selbst zu vertrauen, noch hat er Menschen, von denen er glaubt, sie könnten die Wahrheit ertragen. Wer lügt, dem vertraut man nicht. Manchmal zu Recht.
- Wenn man öfter kritisiert als das Gute am Anderen benennt.
- Wenn man über andere lästert – auch über den, der einem vertraut. Wer lästert, ist nicht vertrauenswürdig. PUNKT.
- Wenn man nie um Rat und Hilfe fragt, sondern unnahbar ist. Vertrauen entsteht durch Nähe.
- Wenn man jede Kritik als persönlichen Angriff versteht (und dementsprechend zurück schlägt). Vertrauenswürdige Menschen hören sich kritische Rückmeldungen an und halten die Verbindung aufrecht.
- Wenn man sich nie entschuldigt! Wer keine Fehler eingesteht, wirkt nicht vertrauenswürdig.
- Wenn man nachtragend ist und nicht verzeihen kann!
Wer niemandem mehr vertraut wegen vieler Enttäuschungen, bewahrt sich sicher vor diesen Enttäuschungen, wird aber auch einsam, denn ohne Vertrauen blühen weder Freundschaft noch Liebe – noch irgendeine Art von Beziehung.
Vertrauen ist etwas Festes und unerschütterlich, wenn es sich über einen langen Zeitraum aufgebaut hat – und doch bleibt es zerbrechlich. Darin liegen ihr Licht und ihr Schatten.
Ob man einem anderen wirklich vertrauen kann, beweist sich oft in Krisenzeiten.
Was bedeutet Vertrauen für dich ganz persönlich?
Ich wünsche uns allen, dass wir wenigstens einen Menschen in unserem Leben haben, dem wir bedingungslos vertrauen können – und Einen, der uns bedingungslos vertraut und dass wir um die Bedeutung und Zerbrechlichkeit des Vertrauens wissen – in einen Anderen, in uns selbst, in das Leben und etwas Höheres.
© Marion Schronen