Ärger und Wut

Ärger und Wut

„An seinem Ärger fest zu halten, ist, wie wenn du eine glühende Kohle in die Hand nimmst, um sie nach Jemandem zu werfen. DU bist derjenige, der sich dabei verbrennt.“ Buddha

Ärger ist eine innere und meist spontane, weil unbewusste Reaktion auf eine Situation, auf einen Menschen oder eine Erinnerung, die unangenehm oder unerwartet und vor allem nicht erwünscht ist. Die Ursache für Ärger kann eine Kränkung sein, eine Frustration, eine Erwartung, die nicht erfüllt wurde. Unbehagen oder Missmut sind mildere Formen von Ärger. Allen ist aber gemeinsam, dass sie als unangenehm empfunden werden. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Erregungsniveau, das heißt, manche ärgern sich sehr leicht und schnell, Andere wiederum brauchen sehr lange, bis sie sich über etwas oder Jemanden ärgern. Ob man sich ärgert oder nicht, das kann man wählen. Dieser Prozess der Wahlfreiheit ist jedoch lange und nicht einfach.

Ärger hilft, die eigenen Werte zu verteidigen. Wo ein mir wichtiger Wert angegriffen wird, werde ich ärgerlich. Das ist die gute Seite des Ärgers.

Generell ist Ärger als Emotion einfach eine Emotion, weder gut noch schlecht. Wie ich handele, wenn ich ärgerlich bin, das ist essentiell. Kann ich in meinem Ärger meine Intelligenz bewahren und habe ich bereits eine innere Ruhe entwickelt, dann kann ich tief durchatmen und sachlich auf den Anderen oder die Situation eingehen. Ich kann meinen Ärger in Worte fassen und sollte dabei in der Ich-Form bleiben: „Es ärgert mich, wenn ich sehe, dass du….“. Das lässt eine achtsame Kommunikation entstehen und hält die Verbindung zueinander aufrecht.

Ärger kann gehen, wenn er wahrgenommen und wo nötig in Worte gefasst wird.

Ärger kann nicht in jeder Situation ausgedrückt werden, da es Menschen und Situationen gibt, denen gegenüber ein Verbalisieren des eigenen Ärgers nachteilig wäre. Auch ist kulturell abhängig, ob Ärger gezeigt wird. Der Ausdruck von Ärger ist in China deutlich anders als bspw. in Spanien.

Wer oft Ärger empfindet, der ist innerlich oft aufgewühlt und unruhig. Ärger erzeugt biochemisch Hormone, die auf Dauer genau so krankmachend sind wie die bei einem lang andauernden Stress der Fall ist. Somit hemmt Ärger den Seelenfrieden und es ist gesund, sich mit Ärger zu befassen, mit den Ursachen des Ärgeres und mit der Frage, warum ich mich so oft ärgere. Sollte ich etwas verändern in meinem Leben? Zeigt mir mein häufiger Ärger, dass ich nicht zufrieden bin mit Menschen oder der gegenwärtigen Situation? Bin ich generell unausgeglichen, weil ich im Stress bin oder zu viel Arbeit und zu wenig Freizeit habe? Brauche in generell ein wenig Ärgerenergie in mir, um mich wohl zu fühlen und genug Motivation zu haben? Wo spüre ich den Ärger? Wie fühlt er sich an? Wie drücke ich ihn aus? Kann ich ihn kontrollieren oder bin ich ihm (hilflos)ausgeliefert? Sage ich im Ärger, Dinge, die ich bereue? Verletze ich im Ärger Menschen, die ich eigentlich sehr schätze?

„In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz.“ Dalai Lama

Wut ist eine sehr heftige Form des Ärgers und deutlich schwerer zu beherrschen als Ärger, weil sie ein höheres Erregungsniveau hat und eine größere Intensität als Ärger.

Wut bedeutet sowohl im Lateinischen als auch im Französischen, aus dem es sich herleitet: „Raserei, Toben, Leidenschaft, Wahnsinn“. Es ist eine sehr impulsive und oft auch aggressive Emotion, die auch aggressive Handlungen nach sich zieht.

Wut wird, ähnlich wie Ärger, durch eine Kränkung, Frustration oder nicht erfüllte Erwartung ausgelöst und bewirkt oft ein Gefühl der Ohnmacht.Wer häufig in Wut gerät, zeigt damit, dass er weder seine Gefühle noch sich selbst unter Kontrolle hat. Wütende Menschen werden gefürchtet, aber nicht (mehr) ernst genommen. Menschen, die Wut verspüren, bekommen manchmal sogenannte „Wutanfälle“, die deutlich zeigen, dass man sich nicht unter Kontrolle hat. Sie schreien, toben, verletzen Andere und manchmal zerstören sie in ihrer Wut auch Dinge. Wütende Menschen agieren die Wut oft aus, weil sie sich verbal nicht gut ausdrücken und verständigen können. Bei Kindern bis zu vier Jahren sind Wutanfälle normal und der Entwicklung angemessen, und oft brauchen sie Trost und Zuspruch und ein ruhiges Dasein von seiten der Eltern. Ab vier Jahren können sich Kinder immer besser verbalisieren und somit werden die Wutanfälle deutlich geringer bei einer normalen Entwicklung. Wenn man als Erwachsener Wutanfälle hat, wirken diese oft sehr kleinkindmäßig und der Entwicklung deutlich nicht angemessen.

Wutanfälle gelten im Erwachsenenalter als unangemessen und werden in vielen Kulturen deutlich verurteilt. Die Emotion Wut wird nicht verurteilt, wohl aber, wie man diese Emotion ausdrückt und ausagiert. Seine Wut in Worte zu fassen, wie beim Ärger, fällt deutlich schwerer, weil die Wut sehr viel impulsiver ist und weil bei Wut das „Denkzentrum“ im Hirn blockiert ist. Darum sind wütende Menschen einer sachlichen Argumentation im Moment der Wut nicht zugänglich!

Wut muss in einer achtsamen Art und Weise ausgedrückt werden und ohne Jemanden zu verletzen oder etwas zu zerstören. Unterdrückte Wut kann Krankheiten (Bluthochdruck, Herzinfarktrisiko, erhöhter Cholesterinspigel etc.) hervor rufen, die ähnlich sind wie bei dauerndem Stress. Das heißt jedoch nicht, dass man seine Wut immer ausagieren sollte, denn man hat herausgefunden, dass das ständige Ausleben von Wut zu noch stärkerer Belastung führt und umso kränker macht als wenn man seine Wut reguliert. Es ist ein weiter Weg, seine Wut zu spüren, anzunehmen, sie zu regulieren und sie angemessen auszudrücken. Es ist jedoch unerlässlich das zu tun, zumindest wenn man mehr innere Ruhe spüren möchte, für sich selbst und für seine Umgebung.

Ärger und Wut zeigen einem selbst und dem Anderen, wenn eine Grenze erreicht und/oder überschritten wurde. Somit können Ärger und Wut eigene Grenzen schützen und dem Anderen diese Grenzen deutlich machen. Wenn man seine Grenzen deutlich machen kann und somit den Ärger und die Wut dazu nutzt, diese Grenzen zu schützen, dann ist das eine sehr konstruktive Art, mit den beiden Emotionen umzugehen. Dann, und nur dann, sind sie produktiv.

Da Wut in Phasen abläuft, kann man in jeder Phase intervenieren und lernen, mit der Wut umzugehen, wieder Schöpfer seiner Wut zu werden und nicht Opfer, in dem man dem Gefühl hilflos ausgeliefert ist.

In der Signalphase beginnt die Wut. Sie beginnt in der Amygdala (Mandelkern) im limbischen System des Gehirns und wird dort sozusagen im Rohzustand geliefert.Von dort geht der Weg über Nervenzellen weiter (es wäre zu kompliziert, jetzt den genauen Weg über den Thalamus zu beschreiben) und in einem Teil des Gehirns, in dem auch frühere Erfahrungen gespeichert sind, wird die Situation interpretiert und auch das Gefühl, das aufkommt (wir wurden gekränkt oder beleidigt – und manchmal fühlt sich das innere Kind verletzt, weil man das als Kind oft erlebt hat.) Der Cortex liefert die physiologische Äquivalenz dazu: leichtes Zittern, aufsteigende Wärme, einen Kloß im Hals. Auf jeden Fall vergeht uns das Lachen. Wenn man in dieser Phase erkennt, zu wem das Gefühl gehört, zu sich als damaligem Kind oder zu sich als Erwachsenem, kann man das Gefühl Wut stoppen, tief durchatmen und kann dadurch die nächste Phase verhindern.

Denn in der Ausbruchsphase spielt der Körper verrückt, weil man nun beginnt, die Wut deutlich zu spüren. Wie eine große Welle durchflutet sie den Körper und verbreitet ein Gefühl von Unruhe und manchmal auch von Ohnmacht. Das Nervensystem ist aktiviert und Hormone wie Noradrenalin werden in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Dadurch beginnt das Herz heftig zu schlagen, der Atem wird schneller und der Blutdruck steigt. Nach außen hin zeigt sich eine angespannte Muskulatur, ein zugekniffener Mund mit angespanntem Kiefer und weit geöffnete Augen. Man fühlt sich wie ein Vulkan vor dem Ausbruch und man hat das Gefühl, die Wut aus agieren zu wollen und etwas zu zerstören, auch wenn man jetzt noch nicht vollkommen überrannt ist von dem Gefühl. Somit kann man jetzt noch entscheiden, ob man das Gefühl aus- oder unterdrücken soll. Unterdrückte Gefühle jedoch kommen stärker wieder und halten deutlich länger an als Gefühle, die wir zu fühlen bereit sind. Dass wir Gefühle ausdrücken, ist keine Frage. Sie jedoch ungehindert herauszulassen, bringt meist großen schaden, weil wir oftmals wie Marionetten unserer Wut sind und dadurch Dinge sagen oder tun, die wir später bereuen. Die Frage ist essentiell, WIE wir sie ausdrücken. Wenn man alleine ist, ist das auch kein Problem, ist man jedoch unter anderen Menschen, die die Wut vielleicht sogar ausgelöst haben mit ihren Worten oder Handlungen, ist es deutlich schwieriger, die Wut ungehindert herauszulassen. Alle Gefühle brauchen Raum, damit die Botschaft, die das Gefühl uns mit geben will, bei uns ankommt. Wenn wir die Botschaft kennen, dann können wir das Gefühl ziehen lassen, was uns dann deutlich leichter fällt. Es kann sein, dass ich in dieser Phase merke, dass mich ein bestimmter Satz als Kind verletzt hat und ich Wut als Kind nicht zeigen durfte und immer bestraft wurde dafür. Nun höre ich wieder diesen Satz und reagiere automatisch. Wenn ich das erkenne, kann ich es stehen lassen, weil ich weiß, dass es mit mir heute als erwachsenem Menschen nichts mehr zu tun hat. Gerade in dieser Phase können wir entscheiden, ob wir die Wut raus lassen oder sie still spüren und nichts tun, auch wenn wir beim höchsten Wut-Level in dieser Phase gelandet sind. Wenn wir das Gefühl wahrnehmen, bewusst fühlen und vor allem akzeptieren, können wir bewusst mit ihm umgehen. Das ist ein achtsamer Weg zum Umgang mit der Wut. Und die Chance, das Gefühl loslassen zu können.

In der Nachbereitungsphase geht es weiter mit dem bejahenden Fühlen, weil sich nun der Körper wieder beruhigt, was wir durch ruhiges tiefes Atmen schneller erreichen. Das Wutgefühl wird schwächer. Wir können wieder klarer denken. Und mit diesen Gedanken können wir die nächste Situation, in der Wut entsteht, vorbereiten, um die Wut immer besser zu verstehen. Wenn wir offen sind und unsere Gefühle bejahen, fühlen sie sich, wie wir alle, wahr- und ernstgenommen und wir können uns auf ihre Botschaft einlassen.

Wie können wir lernen, mit unserer Wut umzugehen oder was können wir tun, wenn sie in uns auftaucht?

Es tut gut, in der Wut einmal um den Block zu laufen, denn durch die Bewegung wird der Wut-Hormonspiegel (Adrenalin und Noradrenalin, die auch bei Stress ausgelöst werden) abgesenkt und das Denkzentrum wird freier. Egal wie, Bewegung hilft in Situationen, in denen Wut hochkommt oder schon da ist.

Indem wir atmen, entspannen wir unseren Körper, in dem die Wut spürbar ist. Wenn wir tief ein- und ausatmen, dann beruhigt sich der ganze Körper. Dazu kann ich zählen, jeden Atemzug, von eins bis zehn. Das entspannt ungemein.

Ich kann mir aktiv eine Auszeit nehmen. „Ich bin gerade ziemlich aufgewühlt. Ich muss mal grad frische Luft schnappen.“ Und Bewegung hilft, die Wuthormone abzusenken.

Ich kann auch nachdenken, wie wichtig mir die Angelegenheit ist. Ist sie so wichtig, dass ich die Energie hergebe, die Wut ausmacht? Bei Wut wird viel Energie erzeugt. Habe ich Lust darauf und momentan die Kraft dafür und ist das Thema oder der Anlass wichtig genug für mich? Meistens ist nach diesen prüfenden Fragen klar, dass es wenige Themen gibt, für die ich mich energetisch so verausgaben möchte.

Ich kann laut innerlich STOPP sagen und dem Gefühl dadurch Einhalt gebieten. Das muss ich üben und öfter machen, denn beim ersten Mal hört die Wut nicht zu. Genau wie wir, wenn wir wütend sind.

Mein eigenes Selbstwertgefühl zu stärken, kann mir dabei helfen, weniger oft Wut zu spüren, weil ich gelassener werde, mich nicht so schnell angegriffen fühle und nicht mehr so häufig verletzbar oder krankbar bin und somit viel weniger Anlässe habe, wütend zu werden. Denn Wut schadet vor allem mir selbst. Einen Anderen oder eine Situation verändert sich durch meine Wut sehr selten. Mich aber schwächt sie.

Und meist steckt hinter der Wut eigentlich ein ganz anderes Gefühl: Vielleicht Trauer, Kränkung, Hilflosigkeit oder Verletzlichkeit. Wenn wir diese Gefühle hinter der Wut erkennen, dann sind wir auf einem guten Weg, denn dann können wir an das eigentliche Gefühl herankommen und sehen, was es uns zu sagen hat.

„Wo Wut ist, steckt immer auch Schmerz dahinter.“ Eckhart Tolle

© Marion Schronen

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