Mut
„Wir müssen immerfort Deiche des Mutes bauen gegen die Flut der Furcht.“ Martin Luther King
Mut in einer Zeit, in der Feigheit blüht, ist wesentlich. Dabei heißt Mut nicht, keine Angst zu haben. Mut bedeutet, etwas zu sagen und zu tun TROTZ oder MIT Angst.
Mut ist auch nicht nur laut und schlägt sich brüllend auf die eigene Brust. Es gibt den lauten und den leisen Mut und beide haben ihre eigene Zeit, in der sie sinnvoll sind. Tiefer innerer Mut ist leise und flüstert uns immerzu gute Worte in die Seele. Tiefer, innerer und leiser Mut sagt uns, dass wir es noch einmal versuchen sollen und dass wir es schaffen, morgen, ganz bestimmt. Und wenn nicht, dann übermorgen. Und dass wir an uns glauben sollen, das flüstert uns der leise Mut ganz besonders hartnäckig zu.
Dass wir immer wieder aufstehen und uns dazu bekennen, dass wir stolpern und hin fallen, das ist Mut. Dass wir Fehler machen und dazu stehen, das ist Mut. Dass wir unzureichend lieben und uns dennoch jeden Tag darum bemühen, das ist Mut. Dass wir Ja sagen, wenn alle Nein sagen, weil es unbequem wird, das ist Mut. Dass wir nicht mit machen, wenn es unseren inneren Werten nicht entspricht, das ist Mut. Dass wir um unsere Unbedeutsamkeit wissen und dennoch an unsere Kraft glauben, die Welt zum Guten hin verändern zu können, das ist Mut. Dass wir etwas tun, obwohl wir es noch nicht vollkommen beherrschen, weil es gerade gebraucht wird, das ist Mut. Dass wir jeden neuen Tag beginnen, auch wenn uns die Kraft dazu fehlt und für uns und die Menschen da sind, das ist Mut. Dass wir zuhören, auch wenn uns gerade niemand zuhört, das ist Mut und ein klares Ja zu unseren Werten. Dass wir empfindsam sind und bleiben, gerade in einer Umgebung und Welt, in der Härt und Durchsetzung an der Tagesordnung sind, das ist Mut. Dass wir die Menschen sind, die wir sind, authentisch und mit allen Fehlern, Schwächen und Wunden, die wir haben, und zu uns stehen, genau so verwundet wie wir sind, das ist Mut!
Das Wort Mut ist abgeleitet aus zwei Worten: Aus „mo“ (indogermanisch), was „einen starken Willen besitzen“ und „sich mühen“ bedeutet und aus „mout“ (althochdeutsch), was „Sinn“, „Seele“ (auch „Geist“), „die Kraft des Wollens“ und „Bereitschaft des Empfindens“ bedeutet.
Mut bedeutet, in einer Situation, die uns ängstigt, diese Angst zu sehen, sia anzunehmen und dennoch durch zu gehen, mit der Angst gemeinsam, nicht gegen sie. Das erfordert eine große mentale Stärke! Es ist anstrengend und manchmal lebensnotwendig! Mut heißt, etwas empfinden zu können, auch die Angst, die eigene und die des Anderen. Mut heißt, seine eigenen Ängste anzuschauen und sich ihnen zu stellen, sich auch seiner eigenen Biographie und vor allem seinen Wunden, die man daraus mitbringt, zu stellen und sie anzunehmen, weil sie uns zu dem Menschen gemacht hat, der wir heute sind.
Mut heißt, manchmal auch im Gegensatz zur Masse zu stehen und seine Meinung kundzutun. Vorsichtig, mit Bedacht und dennoch mit klarer Stimme.
Mut heißt, Nein zu sagen, wenn es erforderlich ist. Und damit auch Ja zu sich selbst und seinen eigenen Werten.
Mut ist nicht Übermut und kein Leichtsinn. Zum Mut gehört eine große Achtsamkeit und der Verstand und das Herz bleiben als treuer Begleiter mit dabei.
Mut kann man leichter entwickeln, wenn man ermutigt wird. Wären wir alle von Beginn an ermutigt worden, die zu sein, die wir waren, die eigenen Wege zu gehen und unsere Gefühle fühlen zu dürfen (alle Gefühle!), wir stünden heute anders da. Wir wären beherzter und liebender uns und unserem Wesen gegenüber. Ermutigen heißt: „Mach es so, wie Du es möchtest! Du kannst das! Du bist richtig! Du bist goldrichtig!!!“
Mut und Scheuheit
„Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.“ (1813 – 1863), Christian Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker und Lyriker
Mut ist nichts, was einen auszeichnet oder mit ständigem Vorpreschen und Lautsein zu tun hat. Es gibt Momente, da ist es sinnvoller, scheu und zurückhaltend zu sein. Und es ist dann sehr mutig, zu dieser Scheuheit zu stehen. Es ist mutig, so klug zu sein, dass man um die Bedeutung der Zurückhaltung weiß. In diesen Situationen vorlaut zu sein, wäre nicht mutig, sondern töricht! Mut macht nicht liebenswerter oder erfüllender als Scheuheit. Mutige Menschen sind nicht liebenswerter oder haben ein erfüllteres Leben als scheue Menschen. Sie leben nur anders. Und es ist immer die Frage, was meinem Wesen mehr entspricht. Und wohin ich mich entwickeln möchte. Zurückhaltende Menschen gehen scheuer und langsamer an neue Dinge heran. Sie denken mehr nach und lösen schneller knifflige Aufgaben. Mutige Menschen gehen schneller an alles Neue heran, untersuchen diese Dinge aber eher oberflächlich und sind in Gruppen eher dominant. Soweit die Wissenschaft – was das für mein eigenes Leben bedeutet oder bedeuten kann, entscheide ich selbst.
Dann gibt es noch den „Sanftmut“ (ein so schönes Wort): Sanftheit, die mutig ist. Mut, der sanft ist. Diese Sanftheit, diese Behutsamkeit ist eine Art von Vorsicht, die keinen Schaden an einen Anderen herankommen lassen möchte. Sanftmut ist weich, still, vorsichtig und liebend. Es ist meines Erachtens die höchste Form des Mutes.
Ich wünsche uns allen lauten Mut, wenn wir ihn brauchen, damit er uns die Kraft gibt, um für uns, unsere Entwicklung oder für Andere zu kämpfen. Und ich wünsche uns den leisen Mut der Scheuheit und Zurückhaltung, wenn wir dadurch Situationen mit Achtsamkeit und Liebe vor harten Konflikten beschützen und sie dadurch (auf)lösen.
Ich wünsche uns Menschen, die uns ermutigen, genau so zu sein, wie wir sind, genauso zu reden, wie wir reden und genau die Wege zu gehen, die für uns passend sind, die wir gewählt haben. Menschen, die uns ermutigen, wenn wir ängstlich sind und die spüren, dass wir Ermutigung um so dringender brauchen, je mehr wir sie in unserer Kindheit vermisst haben.
Ich wünsche uns, dass wir selbst Menschen sind, die Andere ermutigen, indem wir sie so annehmen, wie sie sind und indem wir ihnen Mut zusprechen, wenn sie voller Angst sind
Ich wünsche uns Menschen als Engel und wo diese fehlen, unsere innere Seelenstimme, die uns zuflüstert, dass wir genau so, wie wir sind, goldrichtig sind.
© Marion Schronen