Bedürftigkeit und Freiheit

Bedürftigkeit und Freiheit

In einer Gesellschaft der Ich-linge ist es so wichtig und plädiere ich dafür, das eigene Ego nicht so wichtig zu nehmen.

Es geht nicht darum, sein Licht unter den Scheffel zu stellen – das gehört auf den Scheffel, es darf nur nicht dazu dienen, andere zu blenden.

Es geht nicht darum, nicht gut für sich selbst zu sorgen – wir müssen gut zu uns sein, weil es sonst niemand so gut kann, denn niemand weiß so gut wie wir selbst, was wir gerade brauchen. Manchmal wissen wir das auch selbst nicht und sind verletzt, ohne zu wissen, welches verletzte Bedürfnis da gerade in uns weint.

Es geht nicht darum, sich zu ducken und immer in der zweiten Reihe zu stehen (außer man liebt die zweite Reihe, die wirklich ihren Reiz hat), sondern darum, dass wir unser Dasein nicht so wichtig und ernst nehmen, dass wir meinen, jeder müsste den roten Teppich ausrollen, wenn wir kommen. Wir sind wichtig, aber auf eine andere Art. Auf die Art, dass wir für diese Welt einen Beitrag leisten, damit sie zu einer besseren Welt wird. Das kann leise geschehen, selbst aus der letzten Reihe heraus und aus dem Grund, dass es ein großer Wert von uns ist, diese Welt schöner zu machen. Aber nicht aus dem Grund, dass alle (uns be-)klatschen.

Es geht nicht darum, seinen eigenen Wert nicht zu kennen. Ganz im Gegenteil. Von seinem eigenen Wert, der gesetzt ist, weil wir geliebt sind von Beginn an, überzeugt zu sein, ist wichtig – und genauso wichtig ist es, von demselben Wert aller anderen Menschen auszugehen und sich nicht zu überheben. Ich bin nicht mehr wert als du, und es muss für mich nicht mehr Applaus geben als für dich, weil wir alle gleich sind. Alle gleich, mit den gleichen Schmerzen, Wunden, Freuden, Selbstwertproblemen und Fragen. Das macht nicht nur bescheiden, sondern lässt uns auch spüren, dass wir alle eins sind. Und macht uns somit friedvoller, vergebender und bescheidener.

Bescheidenheit meint, dass wir nicht immer nur um uns selbst kreisen. Wenn wir um unseren Wert wissen, der allen anderen Menschen gleich ist, dann brauchen wir nicht immer verletzt zu sein, wenn wir meinen, jemand erkenne unser Ego nicht an.

„Aber ich mache doch so viel, aber ich bin doch immer da, aber….“ – ja, wenn ich immer da bin und immer viel mache, dann weil ich das möchte und nicht, damit ich Lohn dafür bekomme, diesseits oder jenseits. Und wenn ich es nicht gerne mache, dann lasse ich es. Und erwarte so nichts und werde nicht enttäuscht aufgrund des verletzten Bedürfnisses „Gesehen werden und applaudiert bekommen“.

Wenn man mich nicht sieht, dann ist das so – wenn ich mich sehe (und dafür kann ich auch in den Spiegel schauen, um mich zu erinnern), dann reicht das.

Wenn man mich nicht lobt, dann ist das so. Wenn ich mir abends selbst auf die Schulter klopfen kann, reicht das auch. Natürlich nicht immer. Wir alle brauchen von Zeit zu Zeit auch Anerkennung von außen, weil wir unterwegs sind und nicht immer angekommen im weisen friedvollen Sein.

Und Lob, Dankbarkeit und Wertschätzung sind sehr wichtig. Aber: nur, wenn ich das alles selbst geben kann, dann erhalte ich es auch. Und wenn ich es mir selbst geben kann, dann bin ich innerlich viel friedvoller, weil der Drang, gesehen zu werden, verschwindet.

Lob, Dankbarkeit und Wertschätzung sind wichtig –  Ich bin nur nicht mehr darauf angewiesen. Und das macht frei!

Außerdem ist Lob, Wertschätzung und Dankbarkeit von Anderen sehr zerbrechlich. Wer dir heute applaudiert, der redet morgen schlecht über dich. Das hat nicht nur Jesus mit gemacht. Geliebt zu sein ist so viel wichtiger als Applaus oder Lob zu bekommen. Weil Liebe dem gilt, was wir sind, im Kern sind, ganz unabhängig von dem, wie wir uns verhalten, was wir leisten und wie klein wir uns oft fühlen!

Es macht innerlich friedlich und befreit von dem Druck, etwas Besonderes sein zu müssen.

Wir sind, so wie wir gedacht sind, schon wertvoll.

Und niemand ist besonderer als der Andere. Jeder ist gleich besonders und gleich unbesonders. Weil es gut ist, wie wir sind.

Wir müssen nichts werden. Wir müssen nichts beweisen. Man muss uns nicht applaudieren. Wir müssen nichts außer da sein. Wie entspannend!

Ich wünsche uns allen entspannende Momente und Menschen, die uns lieben – denn Liebe ist unendlich viel mehr wert als kurzer Applaus, Lob, das verweht und Dankbarkeit, die morgen schon Ablehnung sein kann.

Ich wünsche uns allen, dass wir grundlegend von unserem inneren Wert überzeugt seid, ohne dass Andere das bemerken oder sagen oder applaudieren müssen.

Ich wünsche uns und allen, dass wir geliebt sind, denn am Ende ist das das eigentlich Wichtige und Wesentliche!

© Marion Schronen

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