Begeisterung und Lebenslust
„Vergessen Sie nie: Das Leben ist eine Herrlichkeit!“ Rainer Maria Rilke
Begeisterung in einer Welt zu entwickeln, in der es in ist, cool zu sein und wenig Gefühlsregung zu zeigen, ist mutig. In einer Welt Begeisterung zu zeigen, in der Sachlichkeit auf der Prioritätenliste oben steht, ist nicht leicht, aber wer wollte in einer Welt leben, in der Begeisterung fehlt. Und wo leidenschaftliche Begeisterung fehlt, wird nichts Neues mehr erdacht und nichts Blühendes mehr entworfen. Begeisterung heißt, ein lebhaftes Interesse für etwas oder Jemanden zu haben, intensive Freude zu empfinden zu können dabei.
Begeisterung heißt, sich leidenschaftlich für etwas einzusetzen, fasziniert zu sein von etwas.
„In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst!“ Augustinus
Begeisterung setzt Energie frei und hat viel mit Energie zu tun, gesunder und guter Energie.
Ein anderes Wort für Begeisterung ist Enthusiasmus (englisch enthusiasm oder verve). Das geht auf das griechische Wort enthousiasmós zurück und bedeutete ursprünglich so etwas wie „Besessenheit durch Gott, Hingabe an Gott, Erfüllt sein von Gott“. Ein spiritueller Gedanke ist auch bei dem Verb zu Begeisterung enthalten: begeistern ist mit begeisten verwandt und bedeutet „mit Geist, Inhalt erfüllen, beseelen“.
Da wird deutlich, dass Begeisterung damit zusammenhängt, dass wir in etwas einen Sinn sehen. Alles, was uns mit Sinn erfüllt, begeistert uns. Und das kann alles sein, von der Gartenarbeit über das Lesen bis hin zu Hospizbegleitung. Begeisterung ist wie Verliebtsein in das, wofür man sich begeistert. Es macht alles sinnvoll – und vor allem ist es das Gegenteil von Gleichgültigkeit. So ist es, wenn man mit Begeisterung seiner Arbeit nachgeht: man wird sie als sinnvoll empfinden, wird seinen Beitrag als wertvoll erachten und spüren, dass der Weg das Ziel ist.
Begeisterung heißt nicht, ständig laut jubelnd durch die Gegend zu laufen. Echte Begeisterung ist, wie alles Echte, immer im Innern verborgen und verankert.
„Wo Begeisterung zum Vorschein kommt, verschwindet die Gleichgültigkeit.“ Ernst Ferstl
Wenn ich von etwas begeistert bin, habe ich genügend Kraft, den Weg zu gehen, der dahin führt, was mich begeistert.
„Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, brauchen wir vor allem Begeisterung!“ Dalai Lama
Ich wünsche uns allen ein begeistertes Herz, das uns eine tiefe Freude an diesem Leben schenkt und uns mit Sinn erfüllt. Ich wünsche uns, dass wir von etwas beseelt sind. Ich wünsche uns, dass wir immer wissen, warum wir hier sind, dass wir unseren ganz persönlichen Daseinsgrund und Sinn und auch unser persönliches Entwicklungsziel in diesem Leben kennen und lieben. Und begeistert davon sind.
Ich wünsche uns Menschen um uns, die begeistert sind von etwas, von Jemandem, vom Leben – denn diese Menschen schenken uns sehr viel Energie. Ich wünsche uns, dass wir selbst Menschen sind, die erfüllt sind von Seele und Begeisterung, damit wir unsere Wege mit innerer Stärke gehen, denn wenn es unser ganz ureigener Weg ist, wenn wir beseelt sind davon, wenn wir innerlich angetan und begeistert sind davon, erst dann erlangen wir die Kraft, die wir brauchen.
Wenn unser Weg ein Weg ist, der Herz hat, dann begeistert er uns aus sich heraus.
Lebenslust
„Das Dasein ist köstlich. Man muss nur den Mut haben, sein eigenes Leben zu führen.“ Peter Rosegger
Ein Mensch, der uns Lust auf das Leben macht und uns mit seiner Freude am Leben ansteckt, ist etwas sehr Wertvolles. Manchmal kann es auch nerven, wenn solch ein Mensch uns begegnet und wir in einer ganz anderen Stimmung sind und uns die Lust an diesem Leben verloren gegangen ist für Momente. Und dennoch bleibt es wertvoll, solche Menschen um sich zu haben – denn diese grundsätzliche Lust am Leben hilft uns, Krisen und Trauer zu überstehen. Wer sie gänzlich verloren hat, ist in der Depression gefangen. Das Gegenteil von Lebenslust ist: Trübsinn, Niedergeschlagenheit, Verzweiflung.
Es ist erwiesen, dass wir, wenn wir finster schauen, 54 Gesichtsmuskeln anstrengen. Wenn wir lachen, dagegen nur 17. Aber im gesamten Körper werden beim Lachen 100 Muskeln angeregt – ein Fitnesstraining der besonderen Art. Kinder haben es dabei noch besser, denn sie lachen bis zu 400 Mal am Tag, während Erwachsenen dagegen nur noch fünfzehn Mal lachen. Je älter man wird, umso weniger hat man scheinbar zu lachen. Dabei schützt Lachen das Immunsystem. Zwei Minuten lachen sei so gut wie zwanzig Minuten joggen.
In dieser Zeit von Lebenslust zu sprechen, klingt seltsam, wo die Zeit jetzt geprägt ist von Vorsicht, Achtsamkeit, Trauer über die Menschen, die jeden Tag sterben – und gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, die Freude am Leben zu erhalten, das Gute zu sehen und in der Zuversicht zu bleiben. Dem Leben zu trauen und das auszustrahlen.
Lebenslust ist die Lust am Leben. Sie ist Lebensfreude und Daseinsfreude. Freude einfach daran, dass man da ist und dass es dieses Leben mit all den Schönheiten gibt, wenn wir die Augen dafür öffnen! Es ist die Freude, dass es uns gibt und diese Welt, die trotz aller Dunkelheit viel Licht hat!
Lebenslust ist oft verknüpft mit Genuss, mit Aktivität und mit Lebendigkeit. Lebenslust kommt auch, wenn man viel Energie und das Gefühl hat, etwas bewirken zu können. Wer genießen kann, wer lieben kann, der hat es leichter, Lebenslust zu empfinden.
Und darin steckt der Weg an der Daseinsfreude:
- Dankbar sein für alles, was um uns herum ist und einen Blick dafür entwickeln.
- Lieben, was ist und das, was uns begegnet. Das Leben lieben, auch wenn es unvollkommen ist, den Tag lieben, auch wenn er Unangenehmes bietet, die Menschen lieben, auch wenn sie manchmal lieblos und schwierig sind. Ein liebendes Herz behalten gegen alle anderslautenden Rufe.
- Etwas genießen: eine Tasse Tee, die Regentropfen, die am Fenster hinab laufen, ein Bad, einen Menschen, die Sonne, den Schnee, die Wärme morgens im Bett, den Duft nach Kuchen, den Kuchen selbst – und jeden Tag Neues finden, was man genießen kann.
- Freundlich sein allen Kreaturen gegenüber und freundlich bleiben, auch wenn ein Griesgram unseren Weg kreuzt.
- Sich von Nichts und Niemandem unser inneres Licht auspusten lassen und manches beim Anderen lassen, was nicht zu uns gehört.
- Unser Inneres schützen und unser inneres Lächeln nicht wegnehmen lassen, dennoch mitfühlen. Mitgefühl ist jedoch echter und hilfreicher, wenn ich selbst in meiner Stärke und in der Verbundenheit mit mir selbst, meinem Körper und meinem inneren Licht bleibe.
- Neugierig sein und bleiben, etwas Neues lernen, einen Weg gehen, den man noch nie gegangen ist.
- Offen sein und bleiben: Dingen und Menschen gegenüber.
- Sich über kleine Dinge freuen können.
Ich wünsche uns allen, dass wir Lust an diesem Leben und Lust auf dieses Leben haben und auf jeden neuen Tag. Ich wünsche uns, dass wir den Glauben an unser inneres Licht nicht verlieren, auch dann nicht, wenn wir Trauer spüren und in dieser Trauer längere Zeit leben.
Ich wünsche uns, dass wir neugierig bleiben, Rituale und Gewohnheiten haben und dennoch Routinen durchbrechen und Neues wagen.
Ich wünsche uns, dass wir Menschen haben, die unsere Freude am Dasein wecken und teilen können. Ich wünsche uns, dass wir selbst Menschen sind, die anderen Freude am Dasein zeigen, sehr laut und auch ganz leise an Tagen, an denen es dem Anderen nicht so lustig ums Herz ist.
Ich wünsche uns, dass wir ganz oft in unserem Leben 17 Gesichtsmuskeln und 100 Körpermuskeln trainieren dürfen.
© Marion Schronen