Geduld
Geduld ist mehr als nur warten. Sie ist eine Haltung und gelassene Art der Hingabe, auch eine Pause unserer Sehnsucht. Sie zu entwickeln, lässt unseren Seelenfrieden wachsen. Ein geduldiger Geist und ein geduldiges Herz nährt den Seelenfrieden. Es geht mir dabei nicht darum, passiv zu werden und nichts mehr zu tun, die Hände in den Schoß zu legen und in aller Ruhe immer alles abzuwarten. Es geht mir mit dem, was ich hier ausführe, darum, mit innerer Ruhe und der notwendigen Geduld aktiv zu werden und zu bleiben und gleichzeitig zu wissen, dass ich mit Geduld genau so schnell ans Ziel komme, nur eben viel gelassener und gesünder.
Es ist gut, mir selbst auf die Spur zu kommen, und auch nach zu denken, wie ich mich fühle, wenn mir jemand mit Ungeduld und Hektik begegnet.
- Bin ich geduldig oder möchte ich immer alles auf der Stelle haben/erledigen/erreichen?
- Kann ich warten, wenn etwas länger dauert, als ich es erhofft und erwartet habe?
- Komme ich damit klar, wenn die Dinge anders laufen als ich sie geplant habe?
- Wie fühle ich mich in Gegenwart eines ungeduldigen Menschen? Wie geht es mir körperlich und seelisch dabei?
- Motiviert es mich, wenn mein Chef ungeduldig ist? Setzt es mich unter Druck? Macht es mich nervös? Mache ich weniger Fehler oder mehr?
- Umgebe ich mich gerne mit ungeduldigen Menschen?
Geduld ist die Fähigkeit, zu warten und dem Leben seinen eigenen Gang zu lassen. Allem und Jedem die je eigene Geschwindigkeit zu lassen. Und nicht etwas beschleunigen wollen.
Gerade in der heutigen Zeit, in der wir Informationen auf Knopfdruck bekommen, in der wir E-Mails schreiben, die in der gleichen Sekunde am anderen Ende der Welt ankommen, haben wir verlernt, geduldig zu sein. Wir werden schon nervös, wenn wir zehn Minuten später immer noch keine Antwort auf unsere E-Mail-Anfrage erhalten. Ich kann alles essen, vollkommen saisonunabhängig, was ich möchte. Liegt alles im Supermarkt jederzeit bereit herum. Vielen Menschen fehlt ein Garten, in dem Geduld zu den notwendigen Eigenschaften gehört, denn bis Tomaten sich vom Auspflanzen der ersten Kerne zu einem Stock entwickelt haben und essbar sind, das dauert naturgemäß. Im Garten, von und in der Natur lernen wir Geduld.
Wer ungeduldig ist, ist meist auch hektisch. Und wer Hektik und Unruhe verbreitet, gehört nicht wirklich zu den Menschen, mit denen man sich gerne umgibt. MAL Hektik machen, ist normal. Ungeduldige Menschen strahlen diese Hektik jedoch permanent aus.
Vieles, was wertvoll ist in unserem Leben, braucht Zeit. Bis es gewachsen ist. Und nur durch die Zeit hat auch unsere Seele die Chance, mit der Geschwindigkeit mit zu halten. Wer geduldig ist, gibt nicht schnell auf, sondern weiß, dass Projekte nur gut werden, wenn wir Zeit investieren – und manchmal auch ein paar Nächte drüber schlafen, damit die Kreativität von Neuem fließen kann.
Es ist für den inneren Frieden sehr bedeutsam, Geduld zu erlernen. Es ist wichtig für uns selbst und für andere, Geduld zu haben:
- uns selbst gegenüber – und all unseren Schwächen und Entwicklungen.
- unseren Kindern gegenüber – und ihnen eine stille, ungestörte Entwicklung lassen.
- anderen Menschen gegenüber, die nicht so schnell sind, die ihre eigene Geschwindigkeit haben, auch was die innere Entwicklung betrifft.
- dem Leben gegenüber, in der ruhigen Gelassenheit, dass wir immer richtig stehen, genau an dem Platz, an dem wir stehen und dass das, was wichtig für uns ist, sich öffnet und uns findet, solange wir offen sind und bleiben.
Geduld ist eine Kunst, die uns von drängenden Gefühlen befreit und unseren inneren Frieden bewahrt. Oft meinen wir, dass das Leben nicht so läuft, wie wir das gerne hätten und dass das Universum uns ein lautes“Nein” entgegen ruft. Vielleicht möchte das Leben uns kein „Nein“ zu rufen, sondern lediglich ein “Warte”. Und wenn wir dann gelernt haben, zu warten und geduldig zu sein, dann sind wir offen für das, was in unser Leben treten möchte. Und nehmen an, wenn es noch nicht an der Zeit ist. Wer geduldig ist, lernt auch zu akzeptieren.
Und wir lerne ich, geduldiger zu werden, wenn ich ungeduldig bin? Auch ich musste es lernen – und wenn ich das geschafft habe (ich war sehr ungeduldig), dann kann es jeder Mensch lernen. Ich stelle Euch einige Impulse vor und Ihr schaut, welche zu Euch und Eurem Wesen passen. Wenn etwas passt, dann freue ich mich. Wenn nicht, ist es vielleicht noch nicht an der Zeit. Und dann wünsche ich Euch, dass Ihr Eure Ungeduld geduldig ertragt.
Impulse:
- Zeitdruck vermindern, wo immer es möglich ist. Wer alles aufschiebt und auf den letzten Drücker erledigt, der kommt schnell in Stress. Und Stress lässt Geduld nicht zu. Stress und Ungeduld gehen Hand in Hand.
- Beachten, dass Dinge, die gut werden sollen, Zeit brauchen. Wenn alles schnell geht, ist es schnell fertig, es ist nur nicht so, wie wir es gerne hätten. „Gut Ding will Weile haben“ ist eine alte Volksweisheit und genau darum ist sie ein weiser Rat.
- Zeit gut und vor allem großzügig einplanen, damit es rechtzeitig fertig wird. Wenn ich bspw. eine Stunde vor der Zeit los fahre, als ich eigentlich müsste, bringt mich ein Stau nicht aus meiner inneren Ruhe und der Fassung. Dann kann ich geduldig warten, bis er sich auflöst und komme trotzdem meist rechtzeitig.
- Dinge in kleine Schritte zerlegen. Bei großen Dingen wächst die Ungeduld schneller und man kann es kaum erwarten, bis der große Wurf endlich gelungen ist. Wenn ich kleine Schritte plane, dann kann ich mich beim Erreichen des ersten Schrittes freuen und die Zeit bis dahin ist nicht so lange. Lange Zeitdauern, die nicht gut abzusehen sind, fördern Ungeduld.
- Zwischendurch immer mal wieder tief atmen, das beruhigt den Körper und der empfundene Stress wird reguliert. Dann ist es viel leichter, geduldig zu sein. Ruhiger tiefer Atem und Geduld gehen meist neben einander, während innere Unruhe und schneller Atem die Ungeduld hinter sich herziehen und vor sich herjagen.
- Sich selbst kennen lernen und milde zu sich sein. Es geht nicht darum, in allen Bereichen des Lebens der geduldigste Mensch der Welt zu werden. Es wird immer Bereiche geben, in denen wir lernen können, geduldiger zu werden und Bereiche, in denen wir ungeduldig bleiben (was den Umgang mit Problemen an PCs zu tun hat, werde ich meine Ungeduld nicht ganz eliminieren können, ob wohl meine Tastatur bis jetzt alles relativ heil überstanden hat). Und da, wo es nur zur Gesellenprüfung in Geduld reicht, müssen wir mit Milde und Güte auf uns schauen und geduldig warten, bis wir unsere Ungeduld halbwegs in den Griff bekommen. Es passt auch nicht zu jedem Menschen, immerzu geduldig zu sein. Manche brauchen die Ungeduld, um sich lebendig zu fühlen. Das ist so lange gut, bis Leidensdruck dadurch entsteht. Und dafür sind die Impulse gedacht, um einen solchen Leidensdruck zu lindern.
- Spüren, genau hin spüren, wann der Geduldsfaden reißt oder besser, BEVOR er reißt. Und dann atmen oder joggen oder in ein Kissen brüllen. Irgendetwas tun, damit man wieder ruhig werden kann (wem ein inneres gesprochenes langsames „Oooommmmm“ mit imaginiertem Lotusblütensitz hilft, der sollte das in jedem Fall tun!)
- Analysieren, wann Ungeduld schon einmal geholfen hat. Hat der Stau sich durch meine Ungeduld schneller aufgelöst? Ist die Ampel schneller auf Grün umgesprungen durch meine Ungeduld? Hat sich die Schlange vor der Kasse schneller aufgelöst, nur weil ich als letzter in der Schlange mit den Fingern getrommelt und laut geseufzt habe? Oder hat in all den Situationen nur mein Körper gelitten wegen des Adrenalin und Noradrenalin, das durch meinen Körper geschossen ist?
- Immer schneller zu werden und noch schneller, das hält niemand aus. Wir Menschen haben Grenzen und wenn wir diese ständig überschreiten, tun wir weder unserer Seele noch unserem Körper einen Gefallen. Projekte haben Grenzen (weil die Leute fehlen, das Geld oder die Zeit), Menschen haben Grenzen (weil sowieso schon jeder am Limit läuft) und auch die zeit hat Grenzen. Der Tag hat Gott sei Dank nur 24 Stunden und keine 87! Grenzen zu akzeptieren, lässt einen ruhiger, gelassener und geduldiger werden. Alles kommt zu dem, der warten kann. Das ist Fakt. Und wenn es nicht kommt, dann sollte es nicht sein. dann hat das Leben etwas anderes mit uns vor.
- Zeit ist uns geschenkt – und das vor allem in Situationen, in denen wir warten müssen. Zeit ist uns aufgegeben, damit wir sie erfüllen. „Carpe diem“ – im Wartezimmer ein Buch zu lesen oder ein Gespräch zu beginnen, erfüllt Zeit. Wer ungeduldig ist, glaubt, Wartezeit ist verschwendete Zeit. Wir sind Schöpfer unseres Lebens und können entscheiden, ob wir durch unsere Ungeduld glauben, die Zeit sei verschwendet oder ob wir sie in Geduld annehmen und sie ausfüllen.
- Wer gut imaginieren kann, der kann sich den Dalai Lama vorstellen oder einen Menschen, der für einen selbst den Inbegriff von Ruhe und Geduld darstellt. Durch die Gedanken an Dalai Lama oder an den geduldigsten Menschen der Welt wird unser Atem ruhiger, der Stresslevel sinkt und wir werden ruhiger. Wir sind dann nicht automatisch geduldiger, aber schon ruhiger. Und die innere Ruhe lässt den Weg zur Geduld auf einmal viel kürzer erscheinen.
Und somit wünsche ich uns allen ein geduldiges Herz, das warten kann.
Ich wünsche uns Geduld mit uns selbst, gerade dann, wenn es uns nicht schnell genug geht mit dem, wo wir hin möchten, äußerlich wie innerlich. Ich wünsche uns Geduld mit anderen – dass wir jeden Menschen, gerade die geliebten, genau so lassen und annehmen können, wie sie sind. Geduld ist etwas sehr Sanftes und drängt Niemanden in etwas, das nicht passend ist.
Ich wünsche uns, dass uns Menschen begegnen, die Geduld haben, die durch ihre ruhige Geduld uns das Gefühl geben, dass wir so langsam reden, gehen und sein können und dürfen, wie wir nun mal sind in diesem Moment. Ich wünsche uns, dass wir wie eine Schildkröte gehen lernen, langsam genug, um sich im rechten Moment im Panzer zu verstecken, wenn etwas den Weg kreuzt, das ihr nicht wohl gesonnen ist.
Ich wünsche uns, dass wir immer eine leise Stimme in uns tragen – gerade in den ungeduldigsten Momenten mit uns selbst, dem Anderen oder dem Leben – die uns beruhigende Worte ins Ohr flüstert und wir dadurch wieder stiller, friedvoller und geduldiger werden können.
© Marion Schronen