Kränkung

Kränkung

Wir gehen durch dieses Leben, denken an nichts Besonderes, ahnen nichts Böses und dann passiert etwas: es begegnet uns Jemand unfreundlich und beleidigend – und wir fühlen uns nicht mehr gut. Wir fühlen uns abgelehnt, übergangen, kritisiert, schuldig oder gekränkt. Vor allem gekränkt.

Unsere Gefühle hängen von den Situationen und Dingen ab, die wir erleben. Und genau darin liegt die Lösung. Wir können unabhängig von den äußeren Bedingungen werden. Im Grunde ist dies der Königsweg zu innerem Frieden, zum Seelen-Frieden. Nur in uns selbst entsteht das Glück. Es hängt nicht von außen ab. Einen innerlich friedvollen Menschen kann man nicht reizen. Er entscheidet sich zur konstruktiven Wut, wenn es Dinge zu verändern gibt, aber er reagiert nicht auf äußere Ereignisse mit Wut. Er agiert aus sich heraus und reagiert weniger. Er ist in einem inneren Frieden und einer inneren Liebe, die ins Außen ausstrahlt.

Wenn wir ein gutes Selbstvertrauen entwickeln und einen tiefen inneren Frieden, der von den Ereignissen außen nicht abhängt, und wenn uns bewusst ist, dass wir immer eine Wahl haben, mit welchem Gefühl wir auf ein Ereignis reagieren (das entscheiden wir, nicht die Situation), dann sind wir nicht mehr anfällig für Kränkungen. Jedenfalls nicht mehr in dem gleichen Ausmaß wie vorher. Wir können nicht ändern, dass wir Dinge erleben oder Menschen begegnen, wegen denen wir uns schlecht fühlen. Aber wir können lernen, besser damit umzugehen, damit sich der Schmerz, den eine Kränkung verursacht, schneller auflösen kann. Wir müssen den Schmerz und die Gefühle, die er verursacht, achtsam wahrnehmen, sie anschauen und lauschen, was sie uns sagen möchten. Dann können sie in Frieden ihrer Wege gehen.

Wir werden im Zusammenleben immer wieder von Anderen verletzt. Das werden wir nicht verhindern können, und das ist auch kein Grund, auf eine einsame Insel zu flüchten. Wir können lernen, entspannt zu bleiben, wenn uns Jemand versucht, zu kränken. Wir können lernen, es bei dem Anderen zu lassen und zu spüren, dass es weit mehr über den Anderen aussagt als über uns.

Was ist eine Kränkung?

Kränkung bedeutet eine Verletzung eines Anderen in seiner Ehre, seinen Gefühlen, und seiner Selbstachtung. Wir sind normalerweise gekränkt, wenn uns Jemand in unseren Gefühlen oder unserem Selbstwert bewusst oder unbewusst verletzt. Wir nehmen dies meist persönlich und reagieren verletzt und beleidigt.

Wenn wir gekränkt werden, fühlen wir uns im tiefsten Inneren getroffen und empfinden die Kränkung als Ablehnung unserer ganzen Person. Wir sind manchmal, je nach Schwere der Kränkung nachhaltig erschüttert in unserem Selbstbild und sind manchmal überwältigt von Gefühlen der Hilflosigkeit und Fassungslosigkeit.

Der Gekränkte fühlt meist Schmerz, Scham und Wut. Diese Emotionen sind ein Signal dafür, dass eine Grenze erreicht und überschritten wurde. Sie müssen bewusst angeschaut werden, damit wir ihre Botschaft hören und in uns integrieren können. Und Grenzen ziehen und klar nach außen kommunizieren!

Oft gibt es ins uns auch das Gefühl, wie gelähmt zu sein, weil wir nicht fassen können, was der Andere zu uns gesagt hat. Uns fallen keine Antworten ein, wir sind wie starr. Wir schämen uns wegen unserer eigenen Verletzlichkeit und klagen uns an, kränken uns damit selbst zusätzlich („Bin ich so blöd, dass ich so jemandem vertraut habe, klar, dass mir das passiert, ich bin so dumm naiv!“). Dann verbergen wir unsere Verletzlichkeit und zeigen keine Schwäche, nur um nicht wieder den Satz zu hören, der tief kränken kann: „Bist du empfindlich!“

Zu einer Kränkung gehören verschiedene Elemente, damit es als Kränkung erlebt wird.

  • Der destruktive Charakter der Kränkung (Bsp: Liebesentzug, Liebeszurückweisung)
  • Muss auf sensible Stellen/wunde Punkte treffen. Kränkungen docken oft an frühe Erlebnisse aus der Kindheit an. Wir sind erinnert, meist unbewusst, an frühe Erlebnisse von Kränkung. Darum ist es wichtig, unsere eigenen wunden Punkte zu kennen und sie zu schützen. Wenn wir unsere wunden Punkte kennen und sie vor aggressiven und kränkenden Menschen schützen, sind wir nicht mehr schnell kränkbar.
  • Kränkungen erschüttern unsere Werte (Fairness, Zugehörigkeit, Freundschaft, Güte)
  • Sie erschüttern vor allem unser Selbstwertgefühl. Darum ist ein starker Selbstwert wichtig, da er uns gegen Kränkungen wappnet.
  • Kränkungen verletzen den Gerechtigkeitssinn.
  • Sie rufen Enttäuschung hervor. Wir sind „ent-täuscht“ von dem, der uns kränkt, weil wir „das nie von ihm gedacht“ hätten. Es ist gut, dass die Täuschung vorbei ist, der Schmerz darüber bleibt.
  • Kränkungen werden unterschiedlich wahrgenommen. Was der Eine als Kränkung empfindet, kann ein Anderer sich locker anhören und fühlt sich nicht betroffen oder gekränkt. Auch sind wir unterschiedlich kränkbar je nach eigener Stimmung oder Verletzlichkeit.
  • Kränkungen wirken nachhaltig!

Eine Kränkung ist immer ein Prozess zwischen einem Menschen, der kränkt und einem Anderen, der gekränkt wird. Wichtig ist hierbei immer der emotionale Hintergrund: Wird die Kränkungsbotschaft lachend und locker gesagt, wird sie als weniger schlimm empfunden! Wird die Kränkung vor anderen Anwesenden ausgesprochen, wirkt sie heftiger, genau so, wie wenn sie mit einer Geringschätzung einhergeht! Wird sie von einem nahestehenden oder geschätzten Menschen ausgesprochen, wirkt sie viel verletzender, als wenn sie von Menschen gesagt, wird, die uns kaum nahe stehen oder kennen.

Die heftigste und stärkste Form der Kränkung ist die Demütigung und die totale Erniedrigung. Während Kränkungen manchmal unbeabsichtigt sind, geschehen Demütigungen mit Absicht und sind Ausdruck von Macht. Demütigungen sind hoch aggressiv und beabsichtigen, den Anderen zu entwürdigen und hilflos zu machen. Wer gedemütigt wird, steht dem Ganzen machtlos gegenüber, ist ohnmächtig, wütend, voller Scham und muss manchmal erkennen, dass es heute zum Teil sogar gesellschaftlich akzeptiert ist. Bei körperlicher und seelischer Gewalt und auch bei Verleumdungen (Rufmord!) drohen rechtliche Konsequenzen.

Kränkungen hängen ab:

  • Von dem, was wir hören und wahrnehmen (möchten) in einer Botschaft
  • Von der Stärke unseres Selbstwert
  • Von der Beziehung zum Anderen (Wer ist der Andere für mich? Steht er mir nahe? Stehe ich ihm nahe? Ist mir seine Meinung wichtig? Mag ich ihn?)
  • Von unserer seelisch-körperlichen Verfassung, generell und tagesabhängig
  • Vom Ort und Zeitpunkt (Vor anderen oder unter vier Augen)
  • Von unseren Erfahrungen (Sind wir schon oft enttäuscht oder gekränkt worden?)
  • Von unseren Erlebnissen in der Kindheit, die zum großen Teil unbewusst und unverarbeitet sind (Welche sensiblen Punkte habe ich? Wie haben meine Eltern mich gekränkt? Was waren ihre Botschaften, die mich als Kind verletzt haben?)
  • Von meinen Erwartungen an den Anderen (Von wem würde ich es nie erwarten? Wer meckert sowieso immer nur und man kann schon erwarten, dass Beleidigungen kommen?)
  • Von unserer Bewertung! Nicht alles, was uns kränkt und was wir als verletzend empfinden, ist als Kränkung gemeint vom Anderen.
  • Von den vermuteten Gründen („Er wollte mich bewusst verletzen!“ „Sie war nicht gut drauf und ich war der Blitzableiter!“)
  • Von der Situation (Zwischen Tür und Angel, Ruhige Atmosphäre)
  • Von der aktuellen Stress- und Belastungssituation
  • Von Bindungserfahrungen
  • Vom eigenen Temperament (Impulsive Menschen sagen etwas, was sie nicht so meinen; treffen sie dann auf verletzlichere Menschen, kann dies zu großen Missverständnissen führen.)
  • Von meinen eigenen Werten (Wird mein höchster Wert verletzt, kränkt es mich tiefer)
  • Von meiner generellen Kränkbarkeit (Wie verletzbar bin ich generell? Bin ich schnell und leicht kränkbar oder kann mich so schnell nichts aus den Socken hauen? Wie kann ich das verändern? Muss ich mehr an meinem Selbstwert arbeiten? Mich unabhängiger machen von der Meinung der Anderen?)

Es gibt verschiedene Arten von Kränkungen:

  • Beleidigung, Beschimpfung
  • Bloßstellung, Beschämung
  • Hintergehen, Betrug
  • Demütigung, Degradierung
  • Entwertung
  • Emotionale Abweisung, Distanzierung
  • Ignoranz, Übergehen
  • Schweigen (Das ist Kränkung und Gekränktsein gleichzeitig), keine Antwort geben
  • Vorenthalten von Anerkennung und Lob
  • Ungerechtigkeit, Benachteiligung

In einer Studie wurden 500 Personen befragt, was sie als schwerste Kränkung in ihrem Leben empfunden haben:

  • Enttäuschung (66%)
  • Ablehnung, Zurückweisung (52%)
  • Vertrauensverlust (47%)
  • Mobbing (31%)
  • Beschämung (auch über Internet) (30%)
  • Missachtung, Geringschätzung (22%)
  • Verleumdung, Diskreditierung (14%)
  • Diffamierung, Ausschluss (11%)
  • Spott/Hohn, Ironisierung, Zynismus (8%)

Daran sieht man, wie unterschiedlich und individuell Kränkung erlebt und empfunden wird. Jeder von uns empfindet etwas anderes als Kränkung und hat sie auch schon erlebt als Enttäuschung, Zurückweisung, Beschämung. Das macht eine objektive Definition unmöglich.

Was ist eine Kränkung? Schimpfworte? Für manche sind Schimpfworte normaler Umgangston, weil sie so sozialisiert wurden. Beleidigungen? Zurückweisung? Entwertung? Beschämung? Bloßstellung? Demütigung? Mangelnde Beachtung? Viele sind gekränkt, wenn sie ihrer Meinung nach nicht genug beachtet wurden. Aber das Maß an Beachtungs-Bedürfnis ist sehr unterschiedlich. Ich kann davon überzeugt sein, den Anderen genug beachtet zu haben, dieser jedoch kann das als viel zu wenig empfunden haben und ist gekränkt. Geringschätzung? Von allem ein bisschen?

Was eine Kränkung ist, hängt ganz individuell von dem ab, der gekränkt wird, von der Beziehung zum Gekränkten und vielen anderen Faktoren. Für manche Menschen ist es beschämend, wenn eine Freundin das neue Kleidungsstück mit dem Ausdruck „Extravaganter Kleidungsstil“ bezeichnet, andere wären geschmeichelt darüber. Manchmal macht der Gekränkte die Botschaft zu einer Kränkungsbotschaft! Manches ist jedoch so deutlich kränkend, dass es universell als Kränkung empfunden wird.

Kränkungen werden immer selektiv wahrgenommen, höchst individuell interpretiert und sehr unterschiedlich verarbeitet.

Die Kränkungsreaktionen und -empfindungen folgen keinen logischen Gesetzen und sind ganz individuell.

Kränkungsreaktionen haben immer eine Schutzfunktion. Sie schützen uns, indem wir uns als Opfer fühlen können, dem Unrecht angetan wurde. Damit sind wir in der vermeintlich moralisch überlegeneren Position dem Anderen, dem Schuldigen, gegenüber.

Unsere Kränkungsreaktion fällt immer unterschiedlich aus, je nachdem, wie stark unser Leben dadurch beeinträchtigt wird (Rufmord kann eine Ehe zerstören!), wie wir kurzfristig darauf reagieren können (schlagfertig oder perplex) und wie wir es langfristig verarbeiten können (je nach Schweregrad müssen wir therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen).

Oftmals ist man sich als gekränkter Person seiner eigenen Empfindsamkeit nicht bewusst. Wenn zwei Menschen ein unterschiedliches Empfinden dafür haben, was sie als Kränkung ansehen und was nicht, sind Verletzungen und Konflikte vorprogrammiert. Kränkungen in engen Beziehungen (Partnerschaft, Freundschaft) können die Beziehung nachhaltig belasten. Darum ist es so wichtig, einander zu erzählen von sich und seinen wunden Punkten. Voraussetzung hierfür ist, dass man diese kennt, weil man sich mit ihnen vertraut gemacht hat. Das ist schmerzhaft zum Teil, aber unerlässlich, damit man sich selbst versteht und dem Anderen verständlich machen kann.

Warum treffen uns Kränkungen so stark und tief?

Da, wo wir am meisten Energie hinein investieren, sind wir am leichtesten kränkbar.

Wenn wir uns bspw. über unsere Arbeit definieren, werden wir uns besonders stark gekränkt fühlen, wenn bspw. unsere Präsentation vor dem Vorstand kritisiert wird. Unsere Kompetenz wird infrage gestellt, zumindest empfinden wir es so. Ob es so gemeint war, steht auf einem anderen Blatt. Gefährlich ist immer, wenn die Kränkung boshaft und bewusst gesetzt wird. Dann sind die Grenzen fließend zu Rufmord und Mobbing.

Manchmal denken wir, die Ursache für das, was uns gekränkt hat, liegt in dem, was der Andere gesagt oder getan hat. Das ist mit Sicherheit meist ein Teil davon. Manchmal liegen Kränkungen jedoch viel tiefer. Um etwas als Kränkung zu empfinden, kommt es auf die Situation, die Personen und die individuelle Empfindlichkeit an. Wenn Jemand ein „altes Thema“ in uns berührt, das wir nicht verarbeitet haben, sind wir schnell gekränkt, und die Kränkung berührt uns sehr tief. Je wichtiger die Person oder die Situation für uns ist, um so leichter kann es zur Kränkung kommen.

Es begünstigt Kränkungen, wenn es ein unverarbeitetes Thema oder einen wunden Punkt in uns gibt, wenn wir anderen Menschen die Schuld für unser eigenes Erleben zuweisen, wenn wir die Verantwortung für unsere eigenen Gefühle ablehnen und Dinge häufig (zu) persönlich nehmen

Manchmal glauben wir, wenn wir dem Anderen zu schnell verzeihen, wird er die Kränkung wiederholen, weil wir nicht nachtragend sind und der Andere somit denken könnte, dass er sich immer mehr heraus nehmen kann. Das jedoch stimmt meist nicht, denn ein Mensch entscheidet immer selbst , wie er sich anderen gegenüber verhält – und Jemand, der ständig Andere kränkt, sagt damit mehr über sich selbst aus und hat meist wenig Empathie und Freunde. Aber auch wir entscheiden, ob wir gekränkt sein möchten und wenn ja, wie wir damit umgehen. Wir müssen aussprechen und dem Anderen somit bewusst machen, dass er uns gekränkt hat.

Und wenn wir verzeihen, tun wir in erster Linie etwas für uns, weil es auf Dauer schwer wird, etwas „nach-zu-tragen“ und das in erster Linie uns selbst schadet und nicht dem Anderen. Es sind UNSERE schlaflosen Nächte, nicht die des Anderen, es sind UNSERE verletzten Gefühle, nicht die des Anderen und es ist UNSERE Trauer. Wir können das nur auflösen, wenn wir verzeihen, weil wir uns dann selbst erlösen und loslassen können.

Kränkungen berühren immer unser Selbstwertgefühl. Und das ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Nicht Jeden treffen Kränkungen gleichermaßen. Kränkungen erschüttern bei manchen Menschen das Selbstwertgefühl und bewirken, dass sie stark an sich zweifeln und verunsichert sind. Besonders wenn das Selbstvertrauen und das Durchsetzungsvermögen sehr gering ausgeprägt sind, neigen diese Menschen zu hoher Kränkbarkeit. Menschen mit starkem Selbstbewusstsein und gefestigtem Selbstwertgefühl sind weniger kränkbar. Sie haben das sogenannte „dicke Fell“ und einen hohen Selbstwert. Sie stellen sich selbst nicht permanent in Frage, ruhen in sich und kennen ihre Fähigkeiten, auch wenn diese in Frage gestellt werden. Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, an unserem Selbstvertrauen und Selbstwert zu arbeiten, damit wir weniger kränkbar werden!

Es ist sehr wichtig, dass wir sensibilisiert sind für Kränkungen generell und für unsere eigenen Kränkungsthemen: Wodurch werde ich gekränkt? Wann und wo bin ich verletzlich? ABER AUCH: Wo und wen könnte ich kränken durch das, was ich tue und sage?

Kränkungen bewältigen

Es ist wichtig, mit Kränkungen umgehen und sie verarbeiten zu können. Wir Menschen sind aus den unterschiedlichsten Gründen gekränkt. Wenn wir uns gekränkt in unser Schneckenhaus zurückziehen, grenzen wir uns selbst aus und berauben uns so der Möglichkeit, Situationen zu gestalten.

Wir sind Schöpfer! Wir alleine entscheiden, ob wir etwas an uns heranlassen möchten oder nicht. Und auch, wie wir damit umgehen. Wenn wir Kränkungen gut und entspannt verarbeiten können, sind wir deutlich handlungsfähiger.

Eine Analyse und Beschreibung von Kränkung ist sehr schwierig, da Kränkungen oft unterschwellig und verborgen sind. Sie werden nicht immer offen ausgesprochen, sondern oft versteckt in einer Botschaft mit transportiert. Darum ist es wichtig, mir Zeit zu lassen, bevor ich zu klären versuche, damit ich mich selbst sortieren kann, eine Nacht darüber schlafen und dann wahrnehmen kann, wie „tief es noch immer sitzt“. Im Moment der Kränkung sind wir oft wie gelähmt und können nicht klar denken. Dann sind Abstand und emotionale Distanz not-wendig.

Um eine Kränkung zu bewältigen und zu ent-machten, können folgende Impulse hilfreich sein:

  • Die Kränkungsbotschaft einmal ganz sachlich, auf der Sachebene, betrachten. Es gibt das „Vier Ohren Modell“ von Friedemann Schulz von Thun, das ich hier beschrieben habe und das hilfreich ist, um sich die (Kränkungs-)Botschaft mit mehreren Ohren anzuhören und durchzuspielen.
  • Sich bewusst machen, dass zwischen Reiz und Reaktion unsere Freiheit liegt. Wenn wir nicht automatisch auf eine Beleidigung mit Kränkung reagieren, sondern frei wählen zwischen Gelassenheit und Schmerz, weil wir ein gutes Selbstvertrauen entwickelt, unsere wunden Punkte aufgearbeitet haben und uns nicht wie ein Opfer unserer Gefühle fühlen möchten, sondern Schöpfer sein wollen, dann können wir wählen, ob wir gekränkt sein möchten (was durchaus eine Wahl sein kann!) oder ob wir es abstreifen möchten wie eine Schlange ihre Haut oder ein Schmetterling seinen Kokon.
  • Kränkung nicht annehmen. So wie man ein Paket nicht annehmen muss, kann man auch bei einer Kränkung die Annahme verweigern.
  • Die „Hoheit“ über das Kränkungsgeschehen übernehmen: Ich alleine entscheide, wer oder was mich kränken kann! Was lasse ich zu? Wie bewerte ich es? Was sagt der Andere damit über sich selbst aus (Selbstoffenbarungsohr!)? Möchte ich dem Bedeutung beimessen? Damit ziehe ich mich bewusst aus dem Kränkungsgeschehen heraus!
  • Warum sagt der Andere diese kränkenden Dinge? Mit Empathie können wir manchmal verstehen, warum der Andere verbal zuschlägt: weil er vielleicht selbst getroffen wurde? Das ist keine Entschuldigung, aber wir verstehen manches dann – und können es so besser bei dem Anderen belassen. „War dem Anderen die Kränkung bewusst? Hat er mich damit gemeint oder war ich nur gerade da und habe es ab bekommen?“
  • Transparenz schaffen, indem wir die Kränkung ansprechen. Indem wir die Dinge ansprechen, entmachten wir sie zugleich, weil wir sie aus dem Untergrund oder zwischen den Zeilen hervor holen. Gib dem Troll einen Namen, dann platzt er! Manchmal erweist sich alles als Missverständnis, was wiederum Nähe und Verständnis fördern und bewirken kann.
  • Manchmal hilft es, die Botschaft, die uns gekränkt hat, zu analysieren, in dem wir es aufschreiben (Schreiben schafft Distanz!) oder mit einer vertrauten Person besprechen. Wenn wir die Analyse mit einer Haltung der Neugier vornehmen können, kann das sehr hilfreich sein: „Was will der Andere mir sagen? Ich bin kränkbar und der Andere kränkt – wo kränke ich Andere? Gibt es etwas in der Botschaft, was ich annehmen könnte? Was bedeutet diese Kränkung für mein Leben? Welche Bedeutung und welchen Einfluss hat sie auf mein Leben?“ Wenn die Kränkung sehr heftig war und die Person, die uns gekränkt hat, dies öfter schon getan hat oder tun könnte, dann ist es besser, einen (emotionalen) Sicherheitsabstand zu diesem Menschen zu wahren. Mit dieser physischen und emotionalen Distanz kann ich das Gefühl der Gelassenheit und der eigenen Autonomie verstärken. Ich bestimme, mit wem ich mich umgeben möchte und wen ich meide!
  • Bewegung baut Stress ab. Nach einer Kränkung tut es gut, sich zu bewegen, spazieren zu gehen, zu rennen oder auf einen Boxsack zu schlagen.
  • Eigene Kränkungsmuster reflektieren und sie durch brechen (wollen). Ob eine Kränkung massiv wird, hängt davon ab, ob und wie stark emotional betroffen ich bin. Ich kann daran arbeiten, selbstbestimmter zu werden und dadurch weniger ausgeliefert zu sein. Dadurch werde ich mehr und mehr zum Schöpfer meiner Gefühle und Reaktionen und verlasse das Opfer-Dasein!
  • Loslassen. Da Kränkungen uns oft in große Selbstzweifel stürzen, seelische Wunden aufreißen und wir grübeln, ist es wichtig, dass wir diese Trauer in uns anerkennen und wahrnehmen und sie nicht verdrängen. Das, was in uns geschieht, möchte angeschaut werden, damit sich etwas lösen kann in uns. Wenn wir jedoch zwanghaft an unsere vergangenen Wunden denken, binden wir uns an die Vergangenheit, verlieren die Gegenwart und damit unsere innere Freiheit und Souveränität. Darum ist es wichtig, dass wir unsere seelischen Wunden anschauen und sie versorgen, dass wir uns neu orientieren und neu werden, in dem wir loslassen, was wir erlebt haben. Wir können neu werden und müssen nicht unsere seelischen Wunden für unser ganzes Leben mit uns herum tragen. Gute Traumatherapeut/innen können hier sehr hilfreich sein. Wenn wir unsere Wunden ständig anschauen und uns selbst bemitleiden, halten wir die Kränkung sehr lange aufrecht, viel länger als es sein müsste. Wenn wir einen Strich ziehen innerlich, unseren Selbstwert stabilisieren und uns wie ein/e Freund/in auf die Schulter klopfen und uns ermutigen, weiterzugehen, befreien wir uns selbst und können unsere Energie abziehen von der Kränkung. Und unseren Geist neu ausrichten auf das, was uns gut tut und auf die Menschen, die uns ermutigen.
  • Verzeihen. Dies ist der reifste, edelste und am schwersten zu erreichende Umgang, weil Vergebung Mut verlangt, auch Demut und Verzicht auf Rache. Vergebung heilt zuerst uns selbst. Wir werden innerlich leichter und heiler. Sind wir unversöhnlich, bleiben wir Gefangene der Situation und geben dem Anderen sehr viel Raum und Macht über uns. Wir entscheiden, wie viel Raum wir anderen Menschen in uns geben und wie viel Macht. Und wann und wem wir das alles nicht (mehr) zur Verfügung stellen! Es gibt eine Studie, bei der man heraus fand, dass Menschen, die verzeihen können, weniger Stresssymptome zeigen, vitaler sind und freier leben, als Menschen, die das nicht können.

Was gefährdet und was schützt uns?

Kränkungen können zu starkem Stress führen, sie können Angststörungen, Depressionen, psychosomatische Erkrankungen, Essstörungen, Sucht oder Burnout begünstigen.

Kränkung ist immer etwas höchst Individuelles. Jeder Mensch hat seine eigene Biographie und daraus hervorgegangene wunde Punkte.

Je länger und öfter Kränkungen geschehen, und je nachdem, welcher Art die Kränkungen sind, um so mehr belasten sie uns.

Es gibt Menschen, die eher dazu neigen, zu kränken oder kränkbar zu sein. Narzisstisch gestörte Menschen sind sehr stark kränkend, jedoch auch leicht kränkbar durch ihren Minderwert, den sie durch Größenwahn zu verstecken versuchen. Dissoziale Menschen kränken stark, sind scheinbar aber nicht kränkbar. Generell kränken Menschen, die besonders rücksichtslos, taktlos und aggressiv sind und kaum Mitgefühl empfinden können. Dagegen kränken hochsensible Menschen kaum Andere, sind jedoch selbst stark kränkbar.

Unbefriedigte Bedürfnisse nach Wertschätzung/Anerkennung und Liebe spielen eine große Rolle bei Kränkungen. Liebesentzug oder -verweigerung sind besonders schmerzhaft, sowie fehlende Resonanz: Jemand empfindet Liebe oder Freundschaft und engagiert sich, erfährt jedoch keine Erwiderung oder Reaktion. Gerade Kinder benötigen für ihre seelisch und emotional gesunde Entwicklung hin zu einem selbstbewussten Menschen ausreichend Zuwendung, Empathie, Liebe und Mitgefühl, vor allem keine „Überbehütung“. Jugendliche brauchen Wertschätzung dafür, dass sie sind, wie sie sind.

Wir alle benötigen Wertschätzung und positive Resonanz. Diese nicht zu bekommen ist ein großer Risikofaktor für Kränkbarkeit.

Was schützt? Dies alles stärkt unsere seelische Widerstandskraft gegenüber (möglichen) Kränkungen:

  • Ein starkes Selbstbewusstsein (nicht (!) Überheblichkeit, Arroganz oder Kälte!)
  • Innere Unabhängigkeit von äußeren Gegebenheiten
  • Innerer Friede
  • Autonomie, Selbstbestimmtheit
  • Das Wissen darum, dass man eigene Werte hat, nach denen man lebt und die nicht angreifbar sind
  • Starke Grenzen (Feine Menschen brauchen starke Grenzen!)
  • Gute Wahrnehmung für Grenzüberschreitungen
  • Schutz der eigenen Grenzen (Dicht machen, emotional distanzieren (und physisch:weggehen) und Ohren auf Durchzug stellen können)
  • Ausrichten des Geistes auf das Gute
  • Stabiles Verankertsein in etwas Höherem
  • Das Wissen darum, dass unser innerer Kern unverletzbar, unzerstörbar und unerschütterlich ist.
  • Gut für sein inneres verletztes Kind sorgen im Moment der Kränkung (es umarmen und schützen!!)
  • Meiden verletzender Menschen!
  • Gute Menschen um sich herum haben, die einem gut tun!

Selbstreflexion

Wenn ich selbst erlebe, dass Andere durch mich gekränkt sind, ist es wichtig, mich zu hinterfragen und gut zu reflektieren.

Wichtig können die folgenden Impulse sein, um mehr Gespür für Andere zu bekommen:

  • Um Verzeihung bitten! Wenn ich spüre, dass ich andere ungewollt gekränkt habe, ist es wichtig, mich zu entschuldigen und in Zukunft besser auf meine Worte zu achten.
  • Verantwortung übernehmen: Keine Ausreden suchen, keine Rechtfertigungen vorbringen, sondern die Verantwortung für das eigene Reden und Tun übernehmen und sagen: „Ja, ich habe dich gekränkt.“
  • Reflektieren, was ich tun kann, damit ich zukünftig weniger kränke. Und auch Andere nach ihrer Fremdwahrnehmung zu meiner Person bitten.
  • Wertschätzen. Wenn ich jemanden kritisiere, muss ich ihn nicht kränken, sondern kann das Gute sehen und benennen und das Verbesserungswürdige klar und achtsam ausdrücken.
  • Wenn ich eine Liebe oder Freundschaft nicht erwidern kann oder möchte, ist es wichtig, dies einfühlsam und behutsam zu tun. Wenn es sich um Stalking handelt, muss in jedem Fall die Polizei eingeschaltet werden!
  • Nachfragen, was derjenige, den ich gekränkt habe, nun braucht, ob er etwas von mir braucht oder seine Ruhe vor mir haben möchte.
  • Goldene Regel: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem Andern zu.“ Wenn ich mich frage, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte, bin ich nahe an einem achtsamen Verhalten, das ich anderen gegenüber an den Tag legen möchte.
  • Tabus: Körperliche und seelische Gewalt, Mobbing, Verleumdung und Demütigung sind absolut tabu und werden rechtlich verfolgt!

Wenn wir uns selbst kennen lernen, unsere wunden Punkte anschauen und heilen, wenn wir unseren Selbstwert stärken, Mitgefühl und Güte in uns kultivieren, dann sind wir gegen Kränkungen besser geschützt – und vor allem kränken wir mit dieser inneren Haltung andere Menschen nicht mehr.

Kommentare sind geschlossen.