Werte
„Macht es mich liebender, respektvoller, gütiger, stärker, mitfühlender?“
Wenn uns jemand nach unseren Werten fragt, wissen wir manchmal nicht, was wir antworten sollen. Haben wir uns je gefragt, was wir an Werten haben? Welche Fragen uns am wichtigsten sind und welche Antworten wir finden würden auf diese Fragen?
Werte sind persönliche Eigenschaften oder Überzeugungen, für die ich eintreten möchte und die ich verteidigen würde im Ernstfall! Werte machen meinen Charakter aus. Mit meinen Werten zeige ich, wer ich bin und wofür mein Leben steht. Darum ist es wichtig, meine Werte kennen zu lernen und zu verinnerlichen, damit ich weiß, wer ich bin, und was in meinem Leben an erster Stelle steht.
Um meinen Werten auf die Spur zu kommen, kann ich mich fragen, was mir wirklich wichtig ist in meinem Leben. Was würde ich vermissen, wenn ich es nicht in meinem Leben hätte? Was wäre mir wichtig, wenn ich wüsste, ich hätte noch einen Monat zu leben? In welcher Haltung möchte ich leben? Wie möchte ich anderen Menschen gegenüber sein? Wie möchte ich, dass Andere mir gegenüber sind? Wo möchte ich in meinem Leben hin? Welche Ziele verfolge ich? Wo möchte ich auf keinen Fall hin? Welche Ziele sind mir zuwider? Was tut mir gut? Was belastet mich? Was fühlt sich für mich richtig an? Was finde ich falsch, was passt nicht zu mir und meinem Leben? Warum nicht? Wie kann ich das beschützen, was ich liebe? Was sind meine Stärken? Was liebe ich an mir? Was möchte ich, dass von mir bleibt, wenn ich gehe? Was sind meine Schwächen? Möchte ich daran arbeiten? Ist es mir Zeit und Energie wert? Was sind die zentralen Themen in meinem Leben?
Durch diese Fragen komme ich meinen Werten auf die Spur. Meine Werte machen das aus, wonach ich lebe. Sie sind die Philosophie des eigenen Lebens. Meine Werte sind wie Leitsterne, nach denen ich mein Leben ausrichte. Wenn ich meinen Werten gemäß lebe, bin ich innerlich im Frieden und strahle Kongruenz aus. Andere spüren, dass ich lebe, was ich denke, fühle und sage.
Werte geben mir Orientierung in dieser sehr komplexen Welt. Sie helfen mir, meine Antworten zu finden auf die vielen Fragen des Lebens. Wenn bspw. Familie mein höchster Wert ist, dann kann ich die Frage, ob ich eine höhere Position in einer 600 km weiter entfernten Stadt annehme oder nicht, deutlich leichter beantworten.
Wir werden klarer, wenn wir unsere Werte kennen. Und stärker, weil wir nicht hin und her geworfen werden von den Strömungen, die es von Außen gibt. Wer klar weiß, was seine Werte sind, wird nicht mit jeder Mode mit laufen und nicht jedem Heils-Versprecher glauben.
Es gibt sicher universelle Werte, die jedem Menschen wichtig sind: Liebe, Nähe, Autonomie, Freiheit. Daneben gibt es aber individuelle Werte, die die Persönlichkeit und Individualität des Menschen ausmachen.
Werte sind keine Bedürfnisse! Das ist ein feiner Unterschied: Werte sind überdauernde Eigenschaften, unser innerer Kompass, der uns durch das Leben navigiert. Werte sind Qualitäten, sind grundlegend und wechseln selten im Leben. Sie verändern sich manchmal durch die Lebensphasen hindurch, jedoch selten grundlegend und nicht sehr oft, sie sind relativ beständig. Bedürfnisse sind kurzlebiger, spontaner und verändern sich manchmal täglich. Werte helfen uns, unsere Bedürfnisse zu hinterfragen und zu steuern. Wenn meine Werte verletzt werden, fühle ich mich schlecht, und wenn ich es hinnehme, mache ich mich schuldig an meinem Leben. Wenn meine Bedürfnisse verletzt werden, ist das schmerzhaft, aber nicht so erschütternd, wie wenn meine Werte angegriffen werden, weil meine Werte überdauernde Grundkonstanten und Meilensteine meines Weges sind. Mein innerer Proviant. Bedürfnisse sind wie der Proviant im äußeren Rucksack. Bedürfnisse stehen als Motive hinter meinem Handeln. Werte können diese Bedürfnisse leiten, lenken und kanalisieren. Bedürfnisse möchten befriedigt werden, Werte nicht. Ein Wert genügt sich selbst und leitet mich durch mein Leben. Bedürfnisse können erfüllt werden. Werte erfüllen mich.
Ein weiterer Unterschied zwischen Werten und Bedürfnissen ist der Umstand, dass Andere meine Bedürfnisse erfüllen oder nicht erfüllen und mich somit beeinträchtigen können. Somit bin ich, was meine Bedürfnisse anbelangt, meist auf Andere angewiesen, denn ich kann nicht immer selbst all meine Bedürfnisse erfüllen und stillen. Meine Werte hängen nicht von Anderen ab. Ich brauche Andere nicht, damit sie mir meine Werte erfüllen. Meine Werte sind unabhängig von der Erfüllung durch Andere. Das macht den grundlegenden Unterschied aus. Und die Konsequenz. Wenn mein Partner bspw. mir ein momentanes Bedürfnis nicht erfüllt, ist das kein Grund für eine Trennung. Wenn wir in unseren Werten grundlegend nicht übereinstimmen, ist das langfristig in jedem Fall ein Grund für eine Trennung. Wir passen nicht zusammen. Darum passen Menschen meist zusammen, wenn sie dieselben Werte teilen. Wer die Werte Autonomie und Freiheit hat, passt nicht gut zu einem Menschen, dessen Werte Nähe und Verbundenheit sind. Aber Menschen mit denselben Werten können gut zusammen sein, auch wenn sie unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Bedürfnisse sind meist ein Zustand eines erlebten Mangels, den wir ändern möchten. Werte sind erfüllende innere Grundkonstanten, den wir nicht als Mangel sondern als Erfüllung erleben, und die somit keiner weiteren Erfüllung bedürfen. Werte sind oftmals dazu da, Bedürfnisse zu erfüllen. Werte geben dem eigenen Leben Sinn. Bedürfnisse müssen erfüllt werden.
Wenn mein Wert „Pünktlichkeit“ ist, kann es dennoch sein, dass ich zu spät komme, weil ich mein Bedürfnis nach Hunger stillen musste, indem ich noch schnell in die Bäckerei laufen und mir etwas zu Essen kaufen wollte. Manche kommen immer zu spät, weil sie damit ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit stillen. Das ist dann ein Bedürfnis, kein Wert.
Es gibt mehrere Listen im Netz, die viele verschiedene Werte abbilden. Aus den folgenden Werten kann man sich maximal 12 heraus suchen, die die eigenen Werte am besten umreißen. Von diesen 12 Werten sucht man sich wieder sechs heraus. Und dann wieder drei, die die stärksten Werte im eigenen Leben abbilden und bezeichnen. Wenn wir unsere stärksten drei Werte kennen, haben wir eine Orientierung in der komplexen Welt, werden innerlich klarer und ruhiger und können dem, was unser Wert ist, die größte Priorität im Leben einräumen.
Werte – Ein Auszug:
Abenteuer, Abgeklärtheit, Abwechslung, Achtsamkeit, Aggressivität, Akribie, Aktivität, Akzeptanz, Albernheit, Anerkennung, Angemessenheit, Angepasstheit, Anpassungsfähigkeit, Anstand, Antrieb, Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit, Aufopferung, Aufrichtigkeit, Ausdauer, Ausdrucksfähigkeit, Ausgeglichenheit, Ausgelassenheit, Bedachtsamkeit, Beflissenheit, Bildung, Begierde, Beharrlichkeit, Beherrschung, Beliebtheit, Bereitwilligkeit, Berühmtheit, Beschaulichkeit, Bescheidenheit, Beschränkung, Besonnenheit, Bewusstheit, Bindung, Bissigkeit, Brauchbarkeit, Brillianz, Charme, Coolness, Dankbarkeit, Demut, Der Beste sein, Direktheit, Diskretion, Disziplin, Dominanz, Dreistigkeit, Durchsetzungsvermögen, Dynamik, Edelmut, Effizienz, Ehre, Ehrfurcht, Ehrgeiz, Ehrlichkeit, Eifer, Eigenständigkeit, Einen Unterschied machen, Einfachheit, Einfallsreichtum, Einfluss, Einfühlungsvermögen, Einheit, Einsamkeit, Einsicht, Einzigartigkeit, Ekstase, Eleganz, Energie, Enthusiasmus, Entschlossenheit, Entspannung, Erfahrung, Erfindungsgabe, Erfolg, Erhabenheit, Erholung, Erkenntnis, Ermunterung, Ernsthaftigkeit, Erwartung, Extravaganz, Extraversion, Exzellenz, Fairness, Familie, Faszination, Finanzielle Unabhängigkeit, Findigkeit, Fitness, Fleiß, Flexibilität, Flow, Fokus, Frechheit, Freiheit, Freizügigkeit, Freude, Freundschaft, Freundlichkeit, Frevelhaftigkeit, Frieden, Frohmut, Frömmigkeit, Furchtlosigkeit, Gastfreundschaft, Geben, Gehorsam, Gelassenheit, Genauigkeit, Genügsamkeit, Genuss, Gerechtigkeit, Geschicklichkeit, Geschwindigkeit, Gemütlichkeit, Geselligkeit, Gewandtheit, Gewinnen, Glaube, Glaubwürdigkeit, Glück, Glückseligkeit, Gnade, Großzügigkeit, Gründlichkeit, Güte, Gutmütigkeit, Harmonie, Hartnäckigkeit, Heiligkeit, Humor, Liebe, Macht, Mitgefühl, Mitwirkung, Mode, Motivation, Mündigkeit, Mut, Nächstenliebe, Nähe, Nerven zeigen und haben, Neugier, Nützlichkeit, Offenheit, Optimismus, Ordnung, Organisation, Originalität, Perfektion, Pflichtbewusstsein, Phantasie, Philantropie, Pietät, Potenz, Pragmatismus, Präsenz, Präzision, Privatsphäre, Proaktiv sein, Professionalität, Pünktlichkeit, Raffinesse, Realismus, Reflexionsfähigkeit, Reichhaltigkeit, Reichtum, Reife, Reinheit, Religiosität, Respekt, Revolution, Ruhe, Ruhm, Sauberkeit, Sanftmut, Scharfsinn, Schlauheit, Schönheit, Seele, Selbstbeherrschung, Selbstlosigkeit, Selbstvertrauen, Sensitivität, Sexualität, sicheres Auftreten, Sicherheit, Sieg, Sinnlichkeit, Sinn, Sittsamkeit, Solidarität, Sorgfalt, Spannung, Sparsamkeit, Spaß, Spiritualität, Spontanität, Sprachkompetenz, Stabilität, Stärke, Stille, Strebsamkeit, Strenge, Struktur, Sympathie, Tapferkeit, Teamwork, Tiefe, Traditionalismus, Transzendenz, Träumen, Treue, Tugend, Überfluss, Überlegenheit, Überraschung, Überzeugung, Umgänglichkeit, Unabhängigkeit, Unerschrockenheit, Unerschütterlichkeit, Unterhaltung, Unterstützung, Unversehrtheit, Unvoreingenommenheit, Urteilsfähigkeit, Verbindung, Verbissenheit, Verehrung, Vergnügen, Vermögen, Vernunft, Versicherung, Verspieltheit, Verständnis, Vertrauen, Vertrauenswürdigkeit, Verwegenheit, Vielfalt, Vision, Vitalität, Vollendung, Vorfreude, Vorsätze, Wachsamkeit, Wachstum, Wahrheit, Wahrnehmungsvermögen, Wärme, Weisheit, Widerstandsfähigkeit, Wildheit, Wirtschaft, Wissen, Wissensdurst, Wohlgefallen, Wohlstand, Wortgewandtheit, Wunder, Würde, Zeitlosigkeit, Zufriedenheit, Zugänglichkeit, Zugehörigkeit, Zuneigung, Zuverlässigkeit, Zweckmäßigkeit, Zielstrebigkeit.
Wenn ich meine Werte kenne, kann ich ruhiger durchs Leben gehen und weiß, was meine Priorität im Leben ist.
Ich hinterlasse meine Werte und zeige damit, welcher Mensch ich bin und sein möchte. Es ist wie mein Fingerabdruck, der mich individuell ausmacht.
Wenn ich meine Werte gefunden habe, weiß ich, welche Wege ich gehen möchte.
Und über allem Suchen und Finden meiner inneren Antworten und Werte steht für mich persönlich immer die Frage: „Macht es mich liebender, innerlich friedvoller, gütiger und mitfühlender?“
„Für mich gibt es nur das Gehen auf Wegen, die Herz haben, auf jedem Weg gehe ich, der vielleicht ein Weg ist, der Herz hat. Dort gehe ich, und die einzige lohnende Herausforderung ist, seine ganze Länge zu gehen. Und dort gehe ich und sehe und sehe atemlos.“
Carlos Castaneda ,,Die Lehren des Don Juan“
© Marion Schronen