Vier Ohren und vier Münder

Vier Ohren und vier Münder

Ein gutes Modell, um friedvoll und achtsam miteinander zu kommunizieren, ist das Vier Ohren Modell von Friedemann Schulz von Thun. Es ist ein sehr bekanntes Modell und auch hier gibt es vier Dimensionen, wie viele Modelle vier Aspekte haben. Im Vier Ohren Modell steckt die Grundannahme, dass wir nie nur die Botschaft hören, die uns ein Anderer sagt, also die Sachinformation, die darin steckt. Wir hören etwas über unsere Beziehung zum Anderen, über den Inhalt dessen, was er sagt, über die Aufforderung, die darin stecken könnte und wir hören das, was der Andere über sich selbst aussagt.

Es ist ein Modell, das unendlich viele Dimensionen eröffnet, denn so wie wir mit 4 Ohren hören, so sprechen wir auch mit 4 Mündern, die äquivalent dazu sind. Wenn z.B. der Beziehungsmund auf das Beziehungsohr trifft, ist die Kommunikation sicher friedvoll, wenn es um liebevolle Inhalte geht. Geht es um Schmerzliches oder um Konflikte, kann diese Konstellation brandgefährlich sein und zu Trennungen führen.

Wenn wir in uns hinein spüren und wissen, mit welchem Mund wir sprechen und mit welchem Ohr wir vorwiegend hören, dann ist durch diese Selbstreflexion eine gute Grundlage gelegt, um friedvoll zu kommunizieren, denn dann kann ich wählen und entscheiden, mit welchem Mund ich rede und mit welchem Ohr ich höre. Und da sind wir wieder bei der Wahlfreiheit. Wenn wir wählen können, sind wir frei. Und wenn wir um dieses Modell wissen, können wir besser analysieren, wie ein Konflikt entsteht – und darin verborgen liegt bereits die Lösung.

Wir alle haben das Recht auf offene Kommunikation und die Pflicht zur offenen, transparenten Kommunikation!

Ich stelle das Modell in seinen Grundzügen vor und auf dem Hintergrund einer friedvollen und achtsamen Kommunikation, die dadurch ermöglicht wird.

Das 4-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun

Eine zunächst vielleicht einfache und harmlos wirkende Aussage transportiert immer mehr als nur den Inhalt. In einer Aussage verborgen liegen Wünsche, Klagen, Gefühle und Aufforderungen. Wir verstehen oftmals nicht alles, was darin verborgen liegt, weil es so gut versteckt ist. Oder weil der Andere nicht offen kommuniziert und etwas sagt, aber etwas ganz anderes meint. Es ist sehr essentiell für eine gute Kommunikation und Beziehung, wenn wir die verborgenen Botschaften bewusster wahrnehmen, analysieren und somit besser einordnen können. Dann verstehen wir den Anderen, seine Welt und seine Bedürfnisse besser. Und der Andere fühlt sich wahr– und ernstgenommen und genau das macht eine friedvolle und achtsame Kommunikation aus.

Würden wir alle selbstbewusst, offen, klar und transparent sprechen, unsere Bedürfnisse kennen und sie ausdrücken, unsere Gefühle wahrnehmen und sie friedvoll äußern können, dann sähe unsere Welt friedlicher aus. Da Kommunikation jedoch immer schon komplex und damit ein schwieriges Unterfangen war und noch immer ist, weil der, der etwas sagt, vielleicht ganz andere Botschaften transportiert, als der, der es hört, darunter versteht, ist es wichtig, dass wir die Geschwindigkeit herausnehmen und uns die Kommunikation unter der Lupe anschauen. Und dabei helfen Kommunikations-Modelle. So wie das “Vier-Ohren-Modell” von Friedemann Schulz von Thun.

Es geht in diesem Modell darum, erst einmal bei sich zu schauen: Mit welchem Ohr höre ich am meisten hin? Was macht das mit mir? Welches Ohr ist das größte bei mir? Mit welchem Ohr hört der Andere mich? Und habe ich das, was der Andere hört, wirklich gesagt? Und mit welchem Mund habe ich gesprochen? Spannend ist es, herauszufinden: Welches ist mein bevorzugtes Ohr und welcher mein bevorzugter Mund?

Und da wir immer nur uns selbst ändern können und die Selbstreflexion die Grundlage einer guten Beziehung und Kommunikation ist, geht es im Folgenden erst einmal darum, sich selbst besser kennen zu lernen – und erst dann auf den Anderen zu schauen. Was ich bei mir entdeckt habe, kann ich leichter bei dem Anderen wahrnehmen. Ohne mich zu kennen bleibt der Andere mir immer ein Geheimnis.

Es gibt also vier Ohren, mit denen wir hören.

1. Das Sach-Ohr: Was hören wir an Informationen?

Auf dieser Ebene hören wir die rein sachliche, neutrale, wortwörtliche Information eines Satzes. Wenn wir nur diese verstehen und sonst nichts hören, was bspw. durch den Klang der Stimme transportiert wird, dann kann es problematisch werden. Denn dass hinter einer Aussage noch anderes stehen könnte, eine Bitte zum Beispiel, das können oder möchten wir nicht hören, wenn wir nur mit dem Sachohr hören.

Beispiel: „Sie“ und „Er“ sind beliebig austauschbar

Sie: „Du, der Mülleimer ist voll.“

Er: „Ja, das stimmt. Das sehe ich.“

In den meisten Fällen wird sie wütend werden über diese „Gleichgültigkeit“ und den Mülleimer impulsiv und demonstrativ hinunter bringen. Er versteht nicht, warum sie wütend ist. Sie hat nicht gesagt: „Schatz, kannst Du bitte den Müll hinunter bringen!“ Das hätte er verstanden vom Inhaltlichen her und auch getan. Er liebt sie ja schließlich und schlägt ihr selten eine Bitte ab.

2. Das Selbstoffenbarungs-Ohr: Was höre ich, was der Andere über sich selbst sagt und was er mir über sich als Person offenbart??

Ob wir bewusst oder unbewusst, freiwillig oder gezwungenermaßen miteinander sprechen, wir transportieren meistens mehr als nur die sachlichen Aspekte oder die reinen Fakten. Wenn Menschen miteinander reden, enthüllen sie immer ein wenig von sich selbst. Sie sagen mit dem Gesprochenen etwas über sich aus – wir zeigen meinst ein Stück innere Haltung, Werte, Glaubenssätze, Verletzungen oder auch Gefühle, wenn wir mit Anderen sprechen. Das ist uns nicht immer bewusst, was wir zeigen und darin liegt die Schwierigkeit. Mit dem Selbstoffenbarungsohr hören wir oder versuchen zu interpretieren, in welcher Stimmung sich der Andere befindet oder was er über sich, seine Persönlichkeit, seine Werte oder Gefühle sagt und mit transportiert. Das Ohr hört: Wie geht es dem Anderen?

So kann bspw. ein Satz: „Da ist etwas Grünes im Essen“ offenbaren: „Ich weiß nicht, was das ist.“ Es könnte jedoch auch bedeuten: „Ich mag dieses Essen nicht, das ist eklig!“ Und da ist es sehr bedeutsam für eine friedvolle Kommunikation, mit welchem Ohr der Koch oder die Köchin hört. Es ist bedeutsam und essentiell, sich zu vergewissern, was der Andere aussagen wollte über sich und sein Empfinden, was das Grüne mit ihm oder ihr macht. In dieser Situation wäre es sicher ungefährlicher, wenn ich mit dem Sachohr hören würde, weil ich dann antworten könnte: „Das sind Kapern, Schatz!“

3. Das Beziehungs-Ohr: Wie steht der Andere zu mir, was hält er von mir?

Mit dem dritten Ohr möchte ich heraus hören, ob mich der Andere mag, wie wir zueinander stehen, ob er sich z.B. über mein Geschenk freut oder ob ihm das unangenehm ist und nicht gefällt trotz aller vielleicht geäußerten gegenteiligen Aussagen. Manchmal sagen Körper und Tonfall etwas ganz anderes als der Sachinhalt bewusst offen macht. Wer mit dem Beziehungsohr hört, achtet da sehr genau drauf! Respektiert mich der andere? Wie steht er zu mir? Möchte er mich bevormunden? Lehnt er mich ab? Liebt er mich? Ist er genervt von mir? Bin ich Belastung für ihn? Will er mir damit sagen, dass er mich nicht mag, wenn ich so bin?

4. Das Appell-Ohr: Was will der Andere von mir, wozu möchte er mich veranlassen?

Wir sprechen mit Anderen, auch weil wir damit etwas bewirken und den Anderen dazu veranlassen möchten, dass er etwas tut oder gerade nicht tut. Wir tun dies selten offen in Form von Bitten oder Aufforderungen und meist verdeckt, manchmal auch als Manipulation. Das macht die Kommunikation schwierig, weil nicht jeder Mensch verdeckte Bitten oder Aufforderungen versteht und heraus hört. Mit dem vierten Ohr frage ich mich: „Was soll ich jetzt denken, fühlen oder tun? Was möchte der Andree, dass ich tue oder unterlasse?“„Es ist warm hier drinnen!“ könnte heißen: „Mach das Fenster auf!“ Oder aber: „Ich liebe Wärme. Es ist sehr gemütlich bei dir!“ Wenn ich mit dem Apellohr höre, springe ich zum Fenster und reiße sie auf. Hätte ich mit dem beziehungsohr gehört, hätte ich gefragt: „Geht es dir gut mit der Wärme hier drinnen? Schön, dass es dir bei mir gefällt!“

Mit welchem Ohr höre ich bevorzugt?

Menschen, die meist mit dem Sachohr hören, sind rational. Mit ihnen kann man auf einer sachlichen Ebene sehr gut kommunizieren. Sie sind nicht beleidigt oder fühlen sich angegriffen und können auch bei Kritik sachlich bleiben, weil sie nichts anderes hören als die sachlichen Inhalte und Fakten. Ihnen entgehen aber die feinen Nuancen der Beziehungsebene, die immer eine bedeutendere Rolle spielt in Partnerschaften, unter Kolleg/innen, in Freundschaften und bei Begegnungen als der Inhalt. Es kann auch zu Trennungen führen, wenn das Sachohr sehr groß ist und die anderen drei Ohren auf der Strecke bleiben.

Menschen, die sehr viel mit dem Beziehungsohr hören, sind sehr empfindsam auf alles, was der Andere sagt. Sie können sehr gut Beziehungen knüpfen und halten und haben eine große Empathiefähigkeit. Sie sind sehr gute Zuhörer/innen und immer für einen Anderen da, wenn sie gebraucht werden. Sie hören weniger die sachlichen Inhalte, sie achten darauf, was der Andere über die Beziehung sagt. „Wie steht er zu mir? Wie geht es ihr mit mir? Möchte er mich kritisieren? Ist sie sauer auf mich? Will er mir die Freundschaft kündigen? Sie ist so abweisend!“ Dabei spricht sie vielleicht gerade nur über die Fakten und möchte sich darüber austauschen. Menschen mit einem großen Beziehungsohr sind leicht verletzlich, schnell beleidigt und hoch kränkbar.

Menschen mit einem großen Selbstoffenbarungsohr hören weniger darauf, was der Andere von ihnen hält als vielmehr darauf, was der Andere über sich selbst aussagt. Therapeuten müssen das aus ihrer Profession heraus tagtäglich tun. Es ist ihre Aufgabe. Diese Menschen sind empathiefähig, besitzen jedoch wenig Selbstreflexion. Sie schauen nicht auf sich selbst und ihren eigenen Anteil, sondern beobachten den Anderen. Es kann manchmal eine Flucht sein , um nicht bei sich selbst anzukommen. Diese Menschen schieben gerne Verantwortung ab und anderen die Schuld und den schwarzen Peter zu. Wenn mein Gegenüber in allem, was ich sage, psychologisch bedeutsame Verletzungen in der Kindheit heraus hört, kann die Kommunikation sehr angespannt werden. Wenn ich über eine Sache reden möchte, und der Andere fragt, ob ich gestresst sei, weil ich in einer hohen Geschwindigkeit spreche, was denn heute mir mit los sei…dann wird es schwierig, bei den Fakten zu bleiben und sich über die Sachinformationen auszutauschen. Bei diesen Menschen fühlt man sich beobachtet und ungewollt gespiegelt. Wenn ich bei einem Coach oder Therapeuten sitze, möchte ich etwas über mich selbst erfahren. Dann ist das Setting klar. Wenn mein Gegenüber ein großes Selbstoffenbarungsohr besitzt, dann fühle ich mich interpretiert und unwohl und achte sehr genau auf jedes Wort, das ich sage. Das macht Kommunikation deutlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, weil ich einem solchen menschen gerne aus dem Weg gehe.

Es gibt noch sehr viel mehr Dimensionen als die, die ich nun mit den vier Ohren angerissen habe. Auch wird die Typisierung und damit Reduzierung der Menschen ihrer Komplexität nicht gerecht. Das haben Modelle an sich. Erfahrungsgemäß ist es auch so, dass wir eine gute Mischung der vier Ohren haben. Und doch ist es hier wie bei allem, was den Menschen ausmacht: Es gibt Tage, da ist unser Sachohr groß und gut ausgeprägt und an anderen Tagen, in denen wir verletzlich sind, schrumpft unser Sachohr auf die Größe einer Erbse und unser Beziehungsohr wird überdimensional groß. Wir sind nicht jeden Tag gleich stark im Innern und nicht immer gut verankert in uns selbst. Könnten wir mit einem guten Selbstvertrauen offen und klar kommunizieren, hätten wir gleich große Ohren und könnten je nach Situation ein Ohr größer und das andere kleiner machen – und wüssten wir dann auch noch genau, wann wir welches Ohr groß und welches wir klein machen oder auf taub stellen sollten, dann würden wir sehr viel achtsamer und friedlicher kommunizieren. Das als Entwicklungsziel vor Augen zu haben, ist wichtig. Und wenn wir den Weg dorthin genießen und bewusster werden im Hinblick auf die Größe unserer jeweiligen vier Ohren, dann hat das Modell seine Absicht erfüllt. Und wir sind auf einem guten Weg!

So wie wir mit vier Ohren hören, genau so sprechen wir alle auch mit vier Mündern. Auch dabei geht es in erster Linie darum, bei sich zu bleiben und zu schauen, mit welchem Mund ich spreche – und darauf zu achten, mit welchem Mund der Andere gerade zu mir spricht. Wenn ich darum weiß, genau wie bei den ohren, dann kann ich das,w as der Andere sagt, ganz anders aufnehmen.

Es macht die Kommunikation überaus komplex, wenn wir uns bewusst machen, welcher Mund auf welches Ohr trifft. Es gibt viele Kombinationsmöglichkeiten: Beziehungsmund trifft auf Sachohr – kann zu einem Problem werden. Apellmund trifft auf Beziehungsohr – kann zu einer Grundsatzdiskussion über die Beziehung führen. Sachmund trifft auf Beziehungsohr – das Gespräch kann vollkommen ins Leere laufen. Sachmund trifft auf Sachohr – perfekt! Beziehungsmund trifft auf Beziehungsohr – kann gut sein, wenn beide unter Beziehung das Gleiche verstehen.

Es ist spannend, was alles möglich oder unmöglich wird bei der Kommunikation und gleichsam erstaunlich, dass Kmmunikation manchmal gut funktioniert bei all diesem Kombinationspotential. Auf der anderen Seite wird verständlich, warum Kommunikation in seht vielen Fällen zu Missverständnissen führt, eskaliert, nicht gut funktioniert und alles andere als friedvoll und achtsam verläuft! Denn zu den vier Ohren und vier Mündern kommen u.a. verschiedene Streittypen und Charakterstrukturen sowie die Riemannschen Ausprägungen (siehe Blog) hinzu.

Im Folgenden werde ich auch die vier Münder kurz umreißen:

1. Der Sach-Mund: Worüber spreche ich, worüber informiere ich?

Auf dieser Ebene spreche ich über die rein sachliche, neutrale, wortwörtliche Information. Diesen Mund nutze ich meist im beruflichen Alltag, in Besprechungen und natürlich auch privat, wenn das mein bevorzugter Mund ist. Es geht rein um die Sach-Ebene, wenn ich mit dem ersten Mund spreche. Ich transportiere nichts als die Fakten, über die ich spreche. ich sage nichts über mich selbst (wenn dann nur über meine Argumente), nichts über die Beziehung aus und gebe keine Auffoderungen kund.

2. Der Selbstoffenbarungs-Mund: Was offenbare ich über mich?

Mit dem zweiten Mund spreche ich über mich selbst, darüber, wie ich mich fühle, wie es mir geht, in welcher Stimmung ich bin, was ich weiß oder nicht weiß, was ich gerne mag oder verabscheue und wie ich bin. Diesen Mund nutze ich bei vertrauten Menschen. Gutgläubige Menschen nutzen ihn auch bei Fremden, was zu unangenehmen Gesprächssituationen führen kann.

3. Der Beziehungs-Mund: Wie stehe ich zu dem Anderen, was halte ich von dem Anderen?

Mit dem dritten Mund spreche ich über die Beziehung, die ich zu dem Anderen habe oder gerne hätte: Wie stehe ich zu ihm? Mag ich ihn oder mag ich ihn nicht? Möchte ich Distanz zu ihm gehen? Möchte ich mehr Nähe spüren? Was bedeutet mir der Andere? Der Beziehungs-Mund und das Beziehungs-Ohr bergen die meisten Gefahren der Verletzung, sowohl des Selbstwertgefühls von allen Beteiligten als auch der Beziehung. Es ist gerade hier bedeutsam, sich bewusst zu werden, wann ich mit dem Beziehungsmund spreche oder dem Beziehungsohr höre und ob es mich weniger verletzte, wenn ich ein anderes Ohr, bspw. das Selbstoffenbarungsohr größer machen würde. Denn dann kann ich „umschwenken“ und erfahren, wie es dem Anderen geht und warum er bestimmte Dinge gesagt hat. Es ist immer, aber gerade hier, wichtig, auf Kongruenz zu achten: Ist das, was ich sage, auch das, was ich denke und fühle? Wenn nicht, merkt das der Andere und spürt eher das, was ich fühle, als das, was ich sage.

4. Der Appell-Mund: Was will ich von dem Anderen, zu was will ich den Anderen veranlassen?

Wir sprechen mit Anderen, weil wir etwas bewirken möchten. Wir möchten bspw. den Anderen dazu veranlassen, dass er etwas tut oder unterlässt. Das tun wir offen in Form von Bitten oder Aufforderungen und am besten nie verdeckt oder als Manipulation. Mit dem vierten Mund sagen wir, was der Andere machen, denken oder fühlen soll. Wenn wir das direkt und respektvoll ausdrücken, muss der Andere nicht raten. Also nicht: „Es ist warm hier!“, sondern klar, wenn ich eine Bitte habe: „Mach bitte mal das Fenster auf. Mir ist so warm.“ Appelle, Bitten und Wünsche kommen klar an, wenn ich sie klar ausspreche.

Richtig gewichtet

Ginge es nur um Worte und Sachinhalte, wäre die Kommunikation sicher sehr viel leichter. In der Komplexität von verschiedenen Biographien, Mündern, Ohren, Streittypen, Verletzungen, Charakterstrukturen hingegen ist die Kommunikation ein Urwald, in dem Missverständnisse und Widersprüchlichkeiten blühen und so groß werden können, dass wir nichts mehr sehen, uns selbst und den Anderen verlieren.

Da wir meistens mehr als nur mit einem Mund sprechen und mehr als nur mit einem Ohr zuhören, es also eine Mixtur gibt an Aussagen über Fakten, die Beziehung, unsere Wünsche und unsere Stimmung, macht es die Kommunikation manchmal sehr wild und undurchsichtig. Das Beste, um (wieder) eine klare Sicht zu gewinnen und einen Weg durch den Urwald zu finden ist, nach zu fragen: „Wie hast du das gerade gemeint? Sollen wir lieber morgen sprechen? Habe ich das richtig verstanden? Weißt du, was ich meine? Ich habe das so und so gemeint. Wie geht es Dir damit? Was möchtest du, was ich tun soll? Und dann sollten wir mit vier gleich großen Ohren zuhören und vielleicht erneut klar mit nur einem Mund oder mit den vier gleich großen Mündern sprechen.

„Es ist nicht die Stimme, die unsere Geschichte steuert; es ist das Ohr.“ Italo Calvino

Dieser Satz besagt, dass die Verantwortung bei dem liegt der hört. Das ist die eine Sicht der Dinge. Genauso könnte ich sagen:

„Es ist nicht das Ohr, die die Geschichte steuert; es ist die Stimme.“

Denn die Verantwortung liegt auch bei dem, der spricht. Nicht nur der Empfänger macht die Botschaft, das wäre zu einfach und würde die „Verantwortungsverschieberei“, die wir Menschen so gerne praktizieren, nur verstärken. Es ist auch so, dass der Sender die Botschaft prägt – und da müssen wir uns alle fragen: „Wie transparent und klar spreche ich mit welchem der vier Münder? Wie deutlich höre ich mit welchem der vier Ohren? Und wenn ein bestimmter Mund zu mir spricht, muss ich auch darauf achten, mit welchem Ohr ich am besten hin höre.“

Wenn wir erreichen, dass wir uns selbst und den Anderen immer deutlicher kennen lernen, uns und den Anderen in der Komplexität, das jedes Wesen hat, achten und verstehen, dann können wir friedlicher und achtsamer miteinander sprechen und einander begegnen. Ohne Selbsterkenntnis und die Bereitschaft, den Anderen zu verstehen in seinem Geworden-Sein und seiner ganz eigenen Art, ist es nicht möglich, dass Kommunikation bestmöglich gelingt!

© Marion Schronen

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