Mitfühlende Kommunikation

Mitfühlende Kommunikation

Durch Gespräche begegnen wir einander und kommen uns näher. Sie können uns jedoch auch belasten und sind oft Auslöser für Probleme und Konflikte.

Manchmal haben wir den Eindruck, dass wir umso weniger gehört werden, je mehr wir miteinander reden, denn es kommt darauf an, WIE wir miteinander sprechen und weniger darauf, WAS wir zueinander sagen. Die Beziehungsebene ist immer wichtiger als die Sachebene und diese benötigt unsere Aufmerksamkeit und Beachtung.

Die beiden amerikanischen Hirnforscher Andrew Newberg und Mark Robert Waldman haben die „Mitfühlende Kommunikation“ begründet. Es geht ihnen hierbei um die Haltung, die die Beteiligten zueinander haben und entwickeln und nicht um ein Instrument. Alles, was Kommunikation wertvoll macht, ist die Haltung, die dahinter steht. Instrumente, die nicht innerlich getragen sind von einer Haltung, wirken kühl und unecht. Das merkt der Gesprächspartner sofort und zieht sich zurück. So entsteht weder Offenheit noch Vertrauen.

Es geht darum, dass Gesprächspartner kooperieren, indem zwei Gehirne anfangen, zusammen zu denken als ein Gehirn, wie Newberg und Waldman es formulieren. Die Brücke zu diesem Ziel ist konzentriertes Zuhören und konzentriertes Sprechen. Dazu gehören Bausteine wie Kürze, Klarheit und Mitgefühl.

Neberg und Waldman schlagen 7 Schritte vor, die man vor jedem Gespräch gehen sollte, wenn man möchte, dass es ein konstruktives und gutes Gespräch wird. Wenn es ein Konfliktgespräch ist, sind die 7 Schritte um so bedeutsamer. Diese 7 Schritte sind für jeden umsetzbar – sie begründen in der Tiefe eine Haltung, die man sich aneignet. Wer diese 7 Schritte ernst nimmt und sie umsetzt, der wird irgendwann eine Haltung entwickeln, die diese Schritte beinhaltet und ein guter Gesprächspartner sein, weil er die Haltung der Präsenz und Güte in jedes Gespräch mit- und einbringt.

Vor der Situation oder dem Gespräch

1. Stehenbleiben: Bevor Sie den Laden, den OP, das Zimmer betreten oder dem Kollegen, Chef, Kunden begegnen, bleiben Sie vor der Tür stehen oder im Auto sitzen. Gehen Sie nicht sofort hinein, ohne dass Sie sich innerlich, mental und seelisch,vorbereitet haben.

2. Entspannen und präsent sein: Nehmen Sie sich eine Minute Zeit, um zu gähnen, sich zu strecken und jeden Muskel im Körper zu entspannen. Und kommen Sie im Augenblick an. Seien Sie voll präsent!

3. Inventur: Machen Sie eine geistige Inventur. Wenn Sie Angst, Ärger oder Ablehnung durch ihre Gedanken verspüren, wiederholen Sie Schritt 2, bis Sie sich physisch und emotional beruhigt haben. Gehen Sie nicht emotional aufgewühlt in ein Gespräch, weil sie so ihre eigenen Emotionen hinein tragen und die Emotionen der anderen nicht mehr wahrnehmen und beantworten können.

4. Ziel: Konzentrieren Sie sich auf ihr unmittelbares Ziel und fragen Sie sich selbst: In welchen Geisteszustand muss ich mich hierzu versetzen? Vor einem Gespräch vergegenwärtigen Sie sich, welche gemeinsamen Werte und Erlebnisse Sie haben und konzentrieren Sie sich auf dieses Verbindende. Unterdrücken Sie eventuelle Negativität und Zweifel an sich und an den anderen Beteiligten. Stellen Sie sich vor, wie Sie ein gutes Gespräch haben werden, richtig gute Leistung vollbringen, einander verstehen, näher kommen und gemeinsam ihr Ziel erreichen Visualisieren Sie das so konkret und konstruktiv wie möglich.

5. Strategie: Gehen Sie im Geiste Ihre Strategie durch. Forschungen zeigen, dass sich dadurch Ihre Leistungen verbessern, wenn Sie die Aufgabe wirklich ausführen, denn alles, was man im Geiste schon vorbereitet und durchführt, folgt in der Realität dieser geistigen Vorarbeit, schneller und folgerichtig.

6. Werte: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Werte, die Ihnen am meisten bedeuten und sich spezifisch auf Ihren Beruf oder Ihr Ziel beziehen. Ihre Werte zu kennen und sich zu vergegenwärtigen, hilft Ihnen, bewusst zu werden, wenn sie in einem Gespräch verletzt werden. Dann können Sie Ihre Werte sachlich darlegen und sind integer.

7. Entspannen: Entspannen Sie ihren Körper noch weiter, holen Sie tief Luft und betreten den Raum langsam und mit einem sanften Lächeln im Gesicht. Wenn Sie die 6 Schritte zuvor intensiv gegangen sind, wird sich von selbst eine innere Sanftheit und Güte einstellen. Je entspannter Sie sind, desto mehr Entspannung bringen Sie in den Raum hinein und beeinflussen dadurch die Atmosphäre.

Wenn wir durch die 7 Schritte vor dem Gespräch entspannt angekommen sind, prägen wir dadurch den Verlauf des Gesprächs.

Jedes Gespräch ist wichtig. Es gibt keine belanglosen Gespräche, weil in jeder Begegnung die Beziehungsebene gestärkt wird, die immer 80 % dessen ausmacht, was andere von uns annehmen. Wenn wir eine gute Beziehungsebene miteinander haben, können wir fast alles einbringen an Ideen. Diese werden weitaus offener angenommen, als wenn die Beziehungsebene nicht stimmt. Dann wird es jede noch so gute Idee von uns sehr schwer haben, wenn nicht gar jede Idee direkt abgeblockt wird. Darum sollten wir vor jedem Gespräch die 7 Schritte gehen und das Gespräch (selbst-) bewusst und achtsam führen.

Während des Gesprächs

  • Jede Kritik die wir im Gespräch äußern, sollte begleitet sein von drei bis fünf positiven Gedanken, sonst erzeugen wir schnell eine Abwehr. Und es gibt immer etwas Positives. Wir müssen uns nur erinnern und es sehen und artikulieren wollen!
  • Emotionen sind wichtig, dürfen aber nicht zu dramatisch sein und geäußert werden, denn auch das ruft Abwehr hervor.
  • Die eigene Rede, den eigenen Beitrag kurz halten, maximal 30 Sekunden, mehr kann der Andere nicht behalten. Das ist wissenschaftlich erwiesen. In 30 Sekunden kann man eine Menge sagen. Wenn wir länger reden, wird der Andere sich aus all unseren Worten die für ihn wichtigsten Stichworte automatisch heraussuchen, die für uns aber vielleicht gar nicht im Zentrum stehen. Wenn wir uns kurz fassen, und dafür müssen wir uns vorbereiten, dann bestimmen wir selbst, welche Stichworte wichtig sind und der Andere bemerken und sich behalten soll.

Für alle, die nur 60 Sekunden haben

Wenn man die Schritte der Mitfühlenden Kommunikation geht und sie sich zu eigen macht, merkt man, dass man achtsamere Gespräche führt und auch, dass die Gespräche effektiver werden. Weil die Beiträge kürzer sind, gut vorbereitet, das gegenseitige Verstehen wächst und man dadurch nicht mehr in Nebenschauplätze ausweichen muss, nur um das eigene Ego wieder groß zu bekommen. Diese Schritte brauchen Zeit, aber diese wertvolle Zeit ist sehr bedeutsam, wenn man die Gespräche und die Beziehungen intensivieren und konstruktiver machen möchte.

Und das Wichtigste: Mitfühlende Kommunikation gelingt nur mit der richtigen Haltung, die durch die 7 Schritte aufgebaut werden kann. Wenn wir die 7 Schritte und die Grundlagen der Mitfühlenden Kommunikation als Instrumente ansehen und so verwenden, dann merkt der Andere das sofort und geht auf Distanz. Niemand möchte manipuliert werden. Und alles, was man nicht authentisch als Haltung in sich trägt, wirkt unecht und manipulierend auf den Anderen.

Wenn wir wirklich manchmal vielleicht nur eine Minute Zeit haben, weil wir es versäumt haben, pünktlich zu sein und daher die 7 Schritte nicht entspannt gehen können vor dem Gespräch, dann sollten wir dreißig Sekunden inne halten, um uns zu entspannen und uns einen positiven Ausgang vorzustellen. Wir sollten versuchen, diesen positiven Ausblick möglichst beizubehalten, während wir eine Aufgabe ausführen, einen Vortrag halten oder ein Gespräch führen. Wenn eben Dialoge mit anderen Menschen dazu gehören, dann ist es wichtig, etwas langsamer zu sprechen, immer so weit, dass wir über unsere Aussagen nachdenken können, bevor wir sie machen. Das fördert eine konzentrierte, genaue und kurz gefasste Kommunikation.

Vier Sätze, die man unbedingt vermeiden sollte!

Mitfühlend zu sein bedeutet, sich auf den anderen einzustellen, empathisch zu sein und nicht die eigene Meinung in den Vordergrund zu stellen. Deshalb ist es essentiell, diese Sätze zu vermeiden, wenn wir ein gutes und konstruktives Gespräch führen möchten. Vor allem in Gesprächen, in denen es um Gefühle geht, die der Andere uns anvertraut, wie Trauer, Enttäuschung, Angst oder auch Wut.

1. „Ich weiß genau, was du durchmachst. Ich habe das genauso erlebt.“ Dieser Satz scheint auf den ersten Blick Mitgefühl auszudrücken. Aber er drückt genau das aus, was Mitgefühl nicht ist: Das eigene Bedürfnis in den Vordergrund zu stellen. Woher wissen wir, was der andere gerade durchmacht? Ereignisse sind zwar ähnlich, aber jeder Mensch nimmt diese anders auf und hat seine ganz eigene Geschichte und seine eigenen Gefühle hierzu. Und oft ist dieser Satz eine Einleitung, um die eigene Geschichte zu erzählen! Wirklich mitfühlend ist es, zu fragen: Wie hast du es erlebt? Was fühlst du dabei?

2. „Es könnte viel schlimmer sein.“ Ja, es ist wahr, dass vieles schlimmer sein könnte und dass es Menschen gibt, die noch viel Schlimmeres durchleben. Manchmal ist es merkwürdig für uns, wenn sich Andere über etwas aufregen, was „objektiv“ nicht schlimm ist. Aber in der persönlichen Welt eines Menschen ist immer das wichtig, dem der Andere Bedeutung beimisst. Sie erleben im Hier und Jetzt einen Verlust, eine tiefe Enttäuschung, einen in ihren Augen gerechten Zorn. „Es könnte alles schlimmer sein“ ist kein Satz, der motiviert, die Dinge anders und objektiver zu sehen. Dieser Satz drückt aus, dass wir die Probleme des Anderen nicht ernst nehmen. Und dieses nicht ernst genommen werden, spürt der Andere. Er wird uns seine Gefühle nicht mehr mitteilen, wenn wir ihm mit diesem Satz begegnen.

3. „Sieh es positiv. Es wird schon seinen Grund gehabt haben.“ Es gibt negative Dinge, die uns passieren, die sich später als wichtig und vielleicht auch als Segen heraus stellen. Mit Abstand sehen wir das manchmal. Aber das möchte kein Mensch hören, wenn er gerade verlassen wurde, seinen Job oder seinen besten Freund verloren hat. Den Sinn hinter jedem Ereignis zu verstehen und zu entdecken, das kann nur der, der das Problem selbst erlebt und eben auch nur mit zeitlichem Abstand. In der Situation selbst braucht jeder von uns einen Menschen, der für uns da ist, zuhört und uns ernst nimmt. Es ist wichtig, dass wir bei uns selbst Gefühle aushalten können, denn wenn wir Gefühle bei uns selbst nicht aushalten oder wahrnehmen, dann verleugnen und unterdrücken wir diese auch bei Anderen. Dieser Satz kann auch ausdrücken, dass ich mit Gefühlen nicht umgehen kann, mit den eigenen nicht und schon gar nicht mit Gefühlen von Anderen – und darum halten wir den Anderen mit diesem Satz auf Abstand, verleugnen seine Gefühle und sagen: „Ist doch nicht so schlimm. Da ist bestimmt was Gutes dabei“. Weil wir die Wucht der Gefühle nicht aushalten. Darum sollten wir lernen, Gefühle wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen und mit ihnen umgehen zu lernen. Bei uns selbst und dann auch irgendwann bei Anderen.

4. „Meinst du nicht, es ist Zeit, um nach vorn zu schauen?“ In unserer Gesellschaft wird uns wenig Zeit gelassen, zu trauern. Sei es um Menschen oder Situationen. Trauer passt jedoch nicht in ein Zeitfenster. Jeder Mensch trauert anders und braucht seine eigene Zeit dafür. Trauer über einen verlorenen Menschen geht auch nicht einfach weg, sie wird nur aus dem Mittelpunkt gerückt. Um dann an manchen Tagen wieder mitten im Zentrum unseres Alltags zu stehen. Manche Dinge scheinen auch überwunden, tauchen dann doch wieder innerlich auf und belasten uns. Und darum ist es uns möglich, nach vorne zu schauen und wir wissen, es gibt Tage, da ist es wichtig, zurück zu blicken und sich in Liebe zu erinnern. Es gibt kein „sollte“ und „müsste“ bei Trauer und Gefühlen. Es ist wie es ist und es hat seinen Platz. Erst wenn Gefühle als zu belastend empfunden werden und sich bspw. eine Trauer in eine Depression wandelt, ist es gut, wenn wir uns Hilfe suchen und wieder ins Leben zurück finden. Wir sollten nicht darüber befinden, wann ein anderer Mensch mit seiner Trauer ab geschlossen haben muss. Manchmal wird dieser Satz gesagt, weil man selbst seinen Schmerz nicht erträgt, schon gar nicht den der Anderen. Das ist nicht mitfühlend, weil das Mitgefühl für den eigenen Schmerz fehlt. Grundlage jeden Mitgefühls für Andere ist das Mitgefühl für sich selbst.

Unaufhaltsam

Das eigene Wort,
wer holt es zurück,
das lebendige, eben noch ungesprochene Wort?

Wo das Wort vorbeifliegt,
verdorren die Gräser,
werden die Blätter gelb,
fällt Schnee.
Ein Vogel käme dir wieder.
Nicht dein Wort,
das eben noch ungesagte,
in deinen Mund.
Du schickst andere Worte hintendrein,
Worte mit bunten, weichen Federn.
Das Wort ist schneller,
das schwarze Wort.
Es kommt immer an,
es hört nicht auf
anzukommen.

Besser ein Messer als ein Wort.
Ein Messer kann stumpf sein.
Ein Messer trifft oft
am Herzen vorbei.
Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort,
immer
am Ende
das Wort.

Hilde Domin

Mitfühlende Kommunikation gibt dem gesprochenen Wort die Macht, die es hat. Worte beeinflussen unser Gehirn nachweislich. Worte können heilen oder krank machen, aufbauen oder zerstören. Es liegt immer an uns. Wir gehen sehr unachtsam mit unseren Worten um. Wenn wir wüssten, was Worte wirklich bewirken, wir würden nur noch sehr wenig sagen. Für diese Wenige aber würden wir mit Liebe und Bedacht unsere Worte wählen. Und wenn wir alle mitfühlender kommunizieren würden, sähe diese Welt ein ganzes Stück besser aus.

Es liegt an uns.

© Marion Schronen

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